Daniel Marwan, Geschäftsführer ePunkt.

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Der allgemeine Trend in Richtung Big Data macht keinen Bogen ums Recruiting. Heute seien die "massiven Auswirkungen" vielleicht noch nicht stark sichtbar, sagt ePunkt-Geschäftsführer Daniel Marwan, aber in absehbarer Zeit werden viele um das Thema nicht umhinkommen - die Personalberatungsbranche wie auch das Recruiting in Unternehmen selbst. "Daten werden heute schon im großen Stil verarbeitet - die einerseits Rückschlüsse auf die individuelle fachliche Kompetenz zulassen und andererseits auch auf das Verhalten dieser Menschen", sagt Marwan.

Jede Spur, die ein User im Internet hinterlasse, werde - so Marwan sinngemäß - nach Mustern abgeklopft: "Die Googles dieser Welt analysieren so das Verhalten und die fachliche Kompetenz von Millionen Menschen" - diese Transparenz könne man gleichermaßen positiv und negativ sehen, sagt er.

Community bewertet

Für jemanden, der auf der Suche nach zum Beispiel einem guten Softwareentwickler sei, bestehe über die Form der Datenanalyse die Möglichkeit, den oder die Richtige anzusprechen - zum Beispiel auf Expertenplattformen. Dort nämlich werden sehr spezifische Fragen zu - zum Beispiel - Softwareentwicklung gestellt, beantwortet und diese Antworten wiederum von anderen aus der Community bewertet.

So entstehe eine Art Feedbackpyramide, die relativ genaue Hinweise darauf gebe, wer auf dieser Plattform der bessere Softwareentwickler sei, erklärt Marwan. In einer Zeit, in der Techniker allgemein immer häufiger angesprochen werden müssen, weil diese entweder nicht wechselbereit oder nicht auf Jobsuche seien, werde diese Form der Kandidatenidentifizierung immer häufiger angewendet.

Wenig bleibt unsichtbar

Eine andere Form wäre die Kandidatensuche über Twitter - sinngemäß und kurzgefasst nach dem Motto: Kann oder möchte der angesprochene Kandidat nicht, schaut man sich seine Follower an. In fachlichen Bereichen, die sich stärker auf neue Technologien fokussieren als andere, sei die Trefferquote höher als in anderen, weniger technikaffinen, sagt Marwan. Die IT sehe er aber stets als Gradmesser - auch auf die Gefahr hin, dass sich nicht alle Themen, die zunächst wichtig schienen, dann auch wirklich durchsetzen, so Marwan weiter.

Eine Kandidatensuche via Twitter scheint aber die Variante für Fortgeschrittene zu sein - vor allem in Unternehmen, von denen nach wie vor viele mit Facebook und seinen Konsequenzen "kämpfen". Das von ePunkt zum Thema Social Media Recruiting verfasste White Paper aus dem Jahr 2012 sei, so Marwan, "eigentlich schon ein alter Hut", aber deshalb noch lange nicht in genug Unternehmensrealitäten gelandet. Kommunikation auf diesen Plattformen funktioniere anders, sei im traditionellen Sinn auch nicht mehr kontrollierbar. Das haben viele noch nicht verstanden.

Kurz: " Heute ist es nicht mehr möglich, ein schlechter Arbeitgeber zu sein und zu glauben, niemand würde davon erfahren", so Marwan. Wenn einem daran liege, als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden, müsse daran gearbeitet werden, einer zu sein. Mit Größe oder entsprechenden Werbebudgets sei da nicht mehr viel zu machen. Eine positive Entwicklung sehe er darin aber für all jene, die sich des Werts ihrer Mitarbeiter bewusst seien und sich um diese bemühen, die aber von sich aus nicht klotzen würden, weil es über Social Media nun andere für sie tun, grinst er.

Komplexität steigt weiter

Die erhöhte Transparenz bringe allerdings auch hohe Komplexität mit sich. Die Vielzahl an Sourcing-Kanälen mache es nicht nur dem Profi schwer, die Wahl des richtigen Kanals zu treffen. Marwan: "Besonders für kleinere und mittlere Unternehmen, die keine riesigen Recruitingabteilungen haben oder Personal, das sich speziell mit diesen eRecruiting-Themen befasst, ist es diesbezüglich schwer, am Ball zu bleiben."

International gebe es bereits erste Anzeichen dafür (nicht in Österreich), dass Recruiting ausgelagert werde - "nicht einzelne Projekte, sondern das gesamte Recruiting", sagt Marwan. Mit dem Tempo dieser Veränderungen Schritt zu halten, sei schon für Experten schwierig genug. Und "provokant", wie Marwan selbst sagt: Aufgrund der Tendenz, dass Kandidaten immer öfter angesprochen werden, also sich nicht von sich aus bewerben, und Unternehmen sich zunehmend um diese Talente bemühen müssen, könnte das Recruiting à la longue in Marketing- oder Vertriebsabteilungen umgesiedelt werden. (haa, DER STANDARD, 11./12.10.2014)