Als "geheimes Juwel" wird Rauris angepriesen

Bild nicht mehr verfügbar.

Wie versprochen kam Vizekanzler Reinhold Mitterlehner zu Frieda Nagls Buchpräsentation

Foto: APA/Neubauer

Frieda Nagl, die aus dem Sommergespräch mit VP-Chef Reinhold Mitterlehner berühmt gewordene "Wut-Oma", besticht durch ihre offene und bodenständige Art. Mit ihrem Zorn auf absurde Vorschriften und bösartige Behörden spricht sie vielen Kleinunternehmern aus der Seele - auch Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl, der nun ebenfalls gegen das "Bürokratie-Monster" wettert.

Zu einer konstruktiven politischen Debatte kann Nagl wenig beitragen. Zu oberflächlich, zu populistisch ist ihre Botschaft, dass nur die blöden Politiker daran schuld sind, wenn es ihrem Betrieb nicht so gut geht wie gewünscht.

Ihre Lebensgeschichte und unternehmerische Karriere, die sie in ihrem flott geschriebenen Buch beschreibt, spiegelt allerdings die Geschichte des österreichischen Alpentourismus, beziehungsweise ihres Heimatdorfes Rauris, schön wider, das darin eine besondere Stellung hat.

Erste Bergbahn 1972 eröffnet

Der Aufstieg der klugen und tatkräftigen Bergbauerntochter zur erfolgreichen Gastwirtin und Gemeindepolitikerin ist eng mit der Entwicklung des österreichischen Wintertourismus in den siebziger Jahren verknüpft. Als 1972 in Rauris die erste Bergbahn eröffnet wurde, war das prachtvoll gelegene Tal im Pinzgau ganz vorne dabei - und auch der Gasthof Alpenrose von Frau Nagl blühte auf.

Doch seit Mitte der 1980-er Jahre, schreibt Nagl, geht es mit Rauris bergab. Sie macht dafür die Steuern, die Vorschriften, die Politiker in Salzburg und Wien und auch ein wenig die EU verantwortlich.

Aber andere Tourismusgemeinden teilen das Schicksal von Rauris nicht. Das benachbarte Gasteinertal ist - trotz langjähriger Probleme in Bad Gastein - ein Magnet für Touristen. Die Bezirkshauptstadt Zell am See steht ganz oben bei den Nächtigungen in Österreich. Saalbach-Hinterglemm, Leogang, Kaprun, Neukirchen am Wildkogel - der Pinzgau ist voller Erfolgsgeschichten. Und auch den Gastwirten und Hoteliers geht es dort heute viel besser als vor 30 Jahren.

Ausbaustopp im Nationalpark

Was ist in Rauris geschehen? Anfangs wurde wahrscheinlich zu wenig investiert. Und dann begann mit der wachsenden Bedeutung des Naturschutzes der Ausbaustopp für Orte am Rande des Nationalparks Hohe Tauern.

Rauris ist heute vor allem durch seine Literaturtage und als Ausgangspunkt für Hochgebirgswanderungen bekannt. Im Winter ist die Hochalm eines von vielen mittelgroßen Familienskigebieten in Österreich, das mit 30 Pistenkilometern - trotz einiger guter Tiefschneehänge - anspruchsvollen Sportlern zu wenig bietet. Und die Qualitätsoffensive in den Alpen der letzten Jahre hat Rauris, das gerade zwei Viersterne-Hotels vorweisen kann, nicht mitgemacht.

Angepriesen wird daher Rauris als "geheimes Juwel". Das heißt, es ist ursprünglicher als andere Urlaubsorte. Aber auch die Einnahmen aus dem Tourismus sind an einem solchen Ort viel geringer.

"Ich hatte als Kind miterlebt, wie hier langsam alles aufgeblüht war, und jetzt erlebe ich mit, wie alles wieder verblüht", schreibt Nagl in ihrem Buch. Das gilt für Rauris, aber nicht für den österreichischen Tourismus an sich.

Ein Gasthof aus der Kreisky-Ära

Ein Blick auf die Webseite des Gasthofs Alpenrose zeigt, dass dort die Zeit seit der Kreisky-Ära stehengeblieben ist. Seit den achtziger Jahren wurde dort fast nichts mehr investiert. Das zeigt sich auch an den Preisen: Zwischen 34 und 47 Euro pro Person mit Halbpension - das ist ein tolles Preis-Leistungsverhältnis, selbst wenn manche Gäste das Haus im Zentrum von Rauris als heruntergekommen beschreiben. Aber es macht deutlich, wie schwer das wirtschaftliche Überleben für die Tochter, die den Betrieb nun führt, sein muss.

Man würde der Familie wünschen, dass die neue Prominenz der Mutter dazu führt, dass in der nächsten Saison mehr Gäste nach Rauris und in die Alpenrose kommen. Vielleicht kann der Gasthof dann seine Zimmer erneuern und seine Preise erhöhen.

Das würde zwar einige Stammgäste verärgern. Aber dann wären die vielen Bestimmungen für die Hotellerie und Gastronomie, die auch dem Verbraucherschutz und der Sicherheit dienen, leichter verkraftbar. Und dann müsste Frieda Nagl auf die Politik nicht mehr so böse sein. (Eric Frey, derStandard.at, 11.10.2014)