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Liegt vorerst mal auf Eis: Das zweite verpflichtende Kindergartenjahr

Foto: AP/Clemens Bilan

Im Jahr 2011 ist eine Mutter deshalb sogar vor den Verfassungsgerichtshof gezogen: Die Kindergartenpflicht für Fünfjährige, die es in Österreich seit September 2010 gibt, verletze ihr "Recht auf Achtung des elterlichen Erziehungsrechtes", argumentierte sie. Der VfGH wies das Anliegen zwar aus formalen Gründen zurück, weil die Beschwerdeführerin eine Ausnahme von der Besuchspflicht beantragen hätte können, unproblematisch ist der verpflichtende Kindergartenbesuch aber jedenfalls nicht.

Sowohl für Experten als auch für die Regierung, die im Februar noch angekündigt hatte, "ab 2015" sogar ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr einführen zu wollen. Die Expertensicht: Der Leiter des Österreichischen Instituts für Familienforschung, Sozialrechtler Wolfgang Mazal, findet: "Ganz so locker bezüglich der Verfassungskonformität würde ich das nicht sehen. Ich verstehe die Intentionen, möchte aber nur auf diesen Punkt hinweisen: Es gibt hier zweifellos ein Spannungsfeld zwischen der Verfügungsgewalt des Staates über die Kinder und den Elternrechten." Beim ersten verpflichtenden Kindergartenjahr habe man mit der Notwendigkeit der Integration argumentiert, "oder dass so die Schulreife besser festgestellt werden kann. Wie ist das jetzt mit dem zweiten? Noch mehr Integration? Noch mehr Bildung?", fragt Mazal.

Drastischer Eingriff

Die Schulpflicht ab dem sechsten Lebensjahr sei unbestritten, so der Sozialrechtler, "sie lässt den Eltern aber auch das Recht, ihre Kinder anders auszubilden, also etwa sie zu Hause zu unterrichten. Der Staat überprüft den Lernerfolg". Anders beim Pflicht-Kindergarten: " Das ist ein drastischerer Eingriff, als es die Schulpflicht ist. Denn dort ist nur eine Unterrichtspflicht festgeschrieben, im Kindergarten ist es sogar eine Präsenzpflicht."

Aus politischer Perspektive ist die Umsetzung der Ankündigung vor allem aus einem Grund problematisch: Es gibt kein Geld dafür, sagt Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) im Standard-Interview. Wer Näheres wissen will, wird im Kreis geschickt. Im Familienministerium verweist man konsequent auf die Zuständigkeit des Integrationsministers. Dort herrscht seit Längerem Funkstille. Die grüne Abgeordnete Daniela Musiol, die bereits im Jänner einen Antrag für ein "zweites, verpflichtendes kostenloses Kindergartenjahr" gestellt hat, sagt zum Standard: "Der liegt seitdem im Familienausschuss." Eine Anfrage an die Familienministerin wurde mit dem Verweis auf eine Arbeitsgruppe beantwortet. Musiol: "Der klassische Umgang mit unserem Interpellationsrecht. Sie behaupten zu arbeiten, geben aber nicht preis, was sie tun." Also werde sie das Thema beim nächsten Ausschuss im November wieder zur Sprache bringen. Bis 2015 ist schließlich nicht mehr viel Zeit. (pm, riss, DER STANDARD, 10.10.2014)