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Verschiedene Krebszellen, ihre Zellkerne sind blau gefärbt. Sie gilt es durch Therapie zu vernichten.

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Als 2012 noch der Durchbruch gefeiert wurde, da war Hautärzten bereits klar, dass die Wirkung nicht ewig anhalten würde und dass es die Krebsgeschwüre auf der Haut wieder einmal schaffen, den therapeutischen Kampfmitteln zu entkommen. Vemurafenib heißt der Wirkstoff, der damals von sich reden machte.

Er gilt bis heute als Meilenstein bei der Behandlung des Melanoms. Bis 2012 gab es überhaupt keine Mittel gegen die aggressiven Tumoren auf der Haut. Eigentlich sind maligne Melanome heilbar, aber nur wenn die veränderten Muttermale früh genug entdeckt werden. Hat der Krebs sich aber erst einmal ausgebreitet, gehört er zu den hinterhältigsten und tödlichsten Karzinomen.

Mediziner sprachen frustriert von "hoffnungslosen Fällen". Bis eben Vemurafenib und kurze Zeit später Dabrafenib kamen. Innerhalb weniger Tage bis Wochen verschwanden die Geschwüre. Doch nach etwa vier bis sechs Monaten kehrten sie zurück.

"Es ist in einem solchen Stadium immer eine Frage der Zeit", seufzt Walter Berger vom Comprehensive Cancer Center in Wien. Es dauert, bis der Krebs einen Fluchtweg gefunden hat. Berger erforscht seit Jahren, warum und wie einige Tumoren jeder noch so effektiven Behandlung entkommen können. Von Therapieresistenzen sprechen die Mediziner.

Krebszellen sind total egoistisch

Um sie nachvollziehen zu können, muss man die Natur der Krebsgeschwüre verstehen. Tumorzellen sind die Narzissten des Körpers. "Egoistische, gerissene und höchst anpassungsfähige eigene kleine Lebewesen", beschreibt Berger. Ihnen gelingt es, sich in Körpernischen festzukrallen und sich dort eine Tarnkappe aufzusetzen, so entkommen sie dem körpereigenen Abwehrsystem.

Ihnen fehlt auch die Kunst, sterben zu können. "Würde eine Nase zur Leber wandern, dann würde sie innerhalb kürzester Zeit absterben, weil der Körper merkt, dass sie dort nicht hingehört", sagt Berger. Die Nase würde sich selbst vernichten, eine Art altruistisches Sterben. Diese Fähigkeit haben Tumorzellen abgelegt.

Im Gegenteil, sie machen sich selbst ihre natürlichen Feinde, die Abwehrzellen, sogar zunutze. Etwa im Gehirn. Haben sich dort Tumorzellen eingenistet, nutzen sie die dort ansässigen Mikrogliazellen, um sich den Weg freiräumen zu lassen.

Die Ursache für ihre Wandelbarkeit liegt in den Genen. "Das Erbgut von Tumoren ist höchst instabil, es kann sich immerzu verändern", erklärt Berger. Beim schwarzen Hautkrebs etwa liegt bei der überwiegenden Mehrheit der Patienten eine genetische Veränderung vor, die dafür sorgt, dass die Geschwüre immerzu wachsen. Die neuen Mittel schalten diesen Wachstumsmechanismus aus. Und was macht der Tumor? "Sobald er merkt, dass dieser Überlebensweg blockiert ist, schaltet er um. Und benutzt einen anderen Pfad", erklärt Berger.

Das ist der Grund für den Rückfall. "Ein Tumor ist keine homogene Masse" , erklärt Andreas Trumpp vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. In dem Tumor selbst entstehen Subtypen. Es sei durchaus möglich, dass nicht alle Zellen eines Tumors auf ein und dasselbe Medikament ansprechen. Überlebt auch nur ein winziger Teil der Zellen, ist der Rückfall vorprogrammiert.

Immunsystem als Geheimwaffe

Onkologe Berger nennt ein weiteres Problem der zielgerichteten Therapien, das Krebszellen schamlos ausnutzen. Sie sind darauf ausgelegt, Signalwege abzuschalten, sagt Berger. Dabei würden zwar viele Zellen zunächst zugrunde gehen, dieses "altruistische" Sterben in Gänze würde aber nicht aktiviert.

Heißt das also, dass doch die Chemotherapie, die ziellos sämtliche schnell wachsenden Zellen vernichtet, die sicherere Option ist? "Das ist ein Irrglaube," so Berger. Denn selbst diesen Attacken entkommt der Tumor. Hat er ausreichend Zeit, schaltet er Pumpen an den Zellwänden ein, die die Giftstoffe wieder aus der Zelle rausholen.

Die Hoffnung ruht der derzeit auf einer Therapieform, die sich gerade erst zu etablieren beginnt, der sogenannten Immuntherapie. Gegen den schwarzen Hautkrebs ist ein neues Medikament namens Ipilimumab vielversprechend. Es sorgt dafür, dass der Kampf des eigenen Immunsystems gegen die Tumorzellen wieder aufgenommen wird, indem es eine Blockade des Tumors aufhebt. Das Problem: Nur 20 Prozent der Patienten sprechen auf die Therapie an, die Nebenwirkungen sind mitunter heftig.

"Zudem ist noch nicht klar, wie lange Patienten solche Immunstimulanzien einnehmen können", sagt Berger. Der Körper leidet unter den ständig aktivierten T-Zellen des Abwehrsystems. Und selbst die haben Krebszellen zu blockieren gelernt.

Den richtigen Cocktail finden

Patricia Steeg, Leiterin der Women's Cancer Section am amerikanischen Krebsforschungszentrum, glaubt nicht an einen einzelnen Weg. "Wir werden auch künftig auf Cocktails aus mehreren Wirkstoffen zurückgreifen - so wie wir es bereits von der Behandlung von HIV/Aids-Kranken kennen."

Bei Roche arbeitet man derzeit an einer solchen Therapie. Zum Vemurafenib soll es künftig einen weiteren Wirkstoff geben, der den Ausweg der meisten Tumoren stoppt. Es bleibt die Frage: Für wie lange?

Bei Mäusen stellten Wissenschafter fest, dass Krebszellen nicht nur in der Lage sind, den Therapien zu entwischen, sie drehten das Prinzip einfach um: Und nutzten das Medikament gar dafür, um noch schneller zu wachsen. (Edda Grabar, DER STANDARD, 10.10.2014)