Der Kampf gegen Drohnen, gesteuert durch nicht-staatliche Akteure, könnte zum realistischen Szenario werden

Screenshot/Activision

Einige Waffensysteme in "Black Ops 2" werden bereits entwickelt oder sind sogar einsatzfähig

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Was kann ein zwei Jahre altes Videospiel darüber erzählen, wie künftig kriegerische Konflikte ausgefochten werden? Offenbar sehr viel, glaubt man prominenten Militärexperten: Sie schreiben Activisions "Call of Duty: Black Ops 2" eine nahezu prophetische Abbildung der Zukunft zu, an der sich Strategen und politische Entscheidungsträger orientieren sollen.

Militär-Thinktank holt "Call of Duty"-Chef

Das renommierte "Atlantic Council", ein renommierter Thinktank in Washington, hat jetzt etwa "Call of Duty"-Chef Dave Anthony sogar als "Senior Fellow" an Bord geholt. Seine Expertise soll dem Institut helfen, noch genauere Analysen zu erstellen, die dann wiederum Senatoren und Regierungspersonal zur Entscheidungsfindung vorgelegt werden.

"Marine Doom"

Es ist bei Weitem nicht das erste Aufeinandertreffen zwischen Spieleindustrie und Militär: Bereits 1997 wurde mit "Marine Doom" ein eigens für die US-Marines geschaffener Ableger der Doom-Serie vorgestellt. Mit dem Spiel sollten angehende Kämpfer für den Einsatz üben. Auch heute ermutigen Vorgesetzte im US-Militär ihre Rekruten, mittels Videospielen Reaktionen zu üben und militärisches Denken zu trainieren.

US-Navy entwickelt Multiplayer-Game

In Militärkreisen wird dabei schon lange gefordert, dass viel mehr Projekte wie "Marine Doom" unterstützt und umgesetzt werden müssen. Man solle "Entertainment und Militär" enger zusammenbringen, erklärte etwa bereits Ende der 1990er ein Bericht mehrerer offizieller Militär-Komitees. Teilweise ist das auch geschehen: Die US-Navy entwickelt etwa ein eigenes Multiplayer-Game, mit dem Ideen und Wissen um Taktiken in der Kriegsführung vermittelt werden.

Militainment

Die Verzahnung zwischen den beiden Systemen führt im Umkehrschluss auch zu einer zusehenden Militarisierung eines Teils der Videospielbranche. "Militainment" lautet das Schlagwort, unter dem die zusehende gegenseitige Beeinflussung zusammengefasst wird. Besonders deutlich lasse sich dies eben an "Call of Duty Black Ops 2" ablesen.

Gegenseitige Beeinflussung

So entstand das Videospiel unter starker Beeinflussung führender Militär-Thinktanks: Der bereits erwähnte Videospiel-Regisseur Dave Anthony hatte für die Storyline des Shooters zahlreiche Studien herangezogen und Militärexperten interviewt. Mit ausreichend Kreativität und Vorstellungsvermögen wandelte er deren Erkenntnisse anschließend in eine Videospielwelt um, die nun wieder als Ausgangspunkt für Einsichten über moderne Kriegsführung betrachtet wird.

Drohnenspiele

So soll "Black Ops 2" beispielsweise grundlegende Fragen wie die folgenden beantworten: Wie geht man militärisch mit einer feindlichen, aber nicht-staatlichen, vom Volk unterstützenden Bewegung um? Welche Auswirkungen haben Cyber-Attacken (etwa durch China) auf westliche Militärs? Was könnte passieren, wenn Drohnen durch fremde Mächte eingesetzt werden? Welche Waffensysteme könnten künftig zum Einsatz kommen?

Waffensysteme werden umgesetzt

Tatsächlich sind viele der im Spiel dargestellten Entwicklungen kurze Zeit später auch eingetreten, etwa im Bereich der Waffensysteme: So experimentiert die US-Navy mit schwimmenden Drohnen, während die US Air Force nun Drohnen will, die selbstständiger sind.

Autonomous Swarm der US-Navy.
usnavyresearch

Und auch die Gefahr durch nicht-staatliche Akteure wie die Terrormiliz "IS" oder zumindest formell die separatistische Bewegung in der Ostukraine sind verstärkt in den Fokus der Militärexperten gerückt.

Kritiker: "Typisches Hollywood-Spiel"

Die Hinwendung führender Strategen zu Videospielen ruft allerdings auch heftige Kritik hervor. Denn Games würden immer "die oft klischeebehafteten Vorstellungen ihrer Macher wiedergeben", schreibt etwa Adam Elkus in Slate. So könne man aus "Black Ops 2" höchsten ablesen, wie sich eine bestimmte Personengruppe im Jahr 2012 die Zukunft vorgestellt habe. Zusätzlich sei das Spiel eine typische Hollywood-Produktion mit übergeschnapptem Superterroristen, der man nicht allzu viel Realismus zugestehen sollte.

Beeinflussung?

Aber auch die Kritiker sind von "Black Ops 2" auf eine andere Weise fasziniert. "Das Videospiel sei dafür geeignet, den Zeitgeist in der Verteidigungsindustrie zu illustrieren", so Slate weiter – und so die verzerrten Urteile der Experten darzulegen. Denn das millionenfach gespielte Game beeinflusse unbewusst wohl die geopolitischen Vorstellungen zahlreicher Erwachsener und Jugendlicher. (fsc, derStandard.at, 9.10.2014)