Ein Vergleich macht es deutlich: Das österreichische Staatsbürgerschaftsgesetz ist schwer überaltert. Laut dem Migrant Integration Policy Index (Mipex), der die Einbürgerungsregelungen in 31 europäischen Ländern, Australien, Kanada und den USA abgleicht, liegt Österreich beim Ausmaß der Ausschließung auf Platz 28. Nur Estland, Lettland und Litauen, die historisch bedingt Probleme mit russischen Minderheiten haben, leisten sich noch höhere gesetzliche Hürden für potenzielle Neobürger:

In einer Gesellschaft wie der österreichischen, die - im Unterschied zur estnischen, lettischen und litauischen - von starker multinationaler Einwanderung charakterisiert ist, führt das zu Verwerfungen, die immer unübersehbarer werden. Allem voran zu einem demokratiepolitischen Legitimierungsproblem: Wenn in einer Großstadt wie Wien inzwischen rund ein Fünftel der Ansässigen weder im Bezirk noch im Land noch im Bund wahlberechtigt ist, berührt das die Repräsentativität politischer Entscheidungen.

Für die dafür ursächliche Reformblockade ist vor allem die ÖVP verantwortlich - getrieben von der FPÖ, die weitere Verschärfungen fordert. Um den Stau aufzulösen, wird es aber auch nötig sein, die inhaltlichen Gründe für die besondere österreichische Einbürgerungsstrenge zu diskutieren. Diesbezüglich eine Vermutung: Es könnte durchaus an der späten Nationwerdung des heutigen Österreichs und einer diesbezüglichen Identitätsunsicherheit liegen. (Irene Brickner, DER STANDARD, 9.10.2014)