Graz/Wien - Das muss wie Balsam gewirkt haben. Im eigenen Bundesland sind sie mit ihrer Reformpolitik wegen der Einschnitte im Sozialbereich und der Gemeinde-Zwangsfusionen nicht ganz unumstritten, auf Wiener Boden aber werden die beiden steirischen Landeschefs, Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) und sein Vize Hermann Schützenhöfer (ÖVP), für ihren Reformeifer gerne als Vorbildpolitiker hofiert. So wurde ihr Auftritt beim "Wiener Salon" der Kleinen Zeitung am Dienstagabend immer wieder von Akklamationen begleitet.
Stunden zuvor hatte Finanzmister Hans Jörg Schelling die Steiermark sogar als "Vorzeigeland" geadelt, der Bund solle sich ein Beispiel nehmen. Als wohl wichtigsten Eckpfeiler der steirischen Reformpolitik nannten Voves und Schützenhöfer das Nulldefizit für 2015. Ein Meilenstein.
Es sei, sagte Hermann Schützenhöfer vor dem Wiener Publikum, "erstmals seit 40 Jahren" gelungen, in der Steiermark ein Budget ohne neue Schulden hinzulegen. Voves präzisierte, es sei zumindest bis 1987 klar nachvollziehbar, dass es bis dahin nie ein Nulldefizit gegeben habe, zuvor sei dies wegen anderer Berechnungsarten nicht eindeutig, aber man könne davon ausgehen.
Blick ins Archiv
Ein Blick ins Archiv schafft Klarheit: Die ÖVP legte schon 2001/2002 - damals noch Landeshauptmannpartei - ein Nulldefizit vor. Finanzlandesrat unter Landeshauptfrau Waltraud Klasnic war Herbert Paierl. Gelder aus dem Verkauf von Wohnbaudarlehen wurden direkt in den Schuldenabbau gesteckt, was beim Darlehensinstitut, der steirischen Raiffeisen-Landesbank, Irritation ausgelöst hatte, denn weniger Landeskredit hieß natürlich weniger Zinsen für die Bank.
Die Austria Presseagentur notierte am 2. Juli 2002, dass das Budget 2001/2002 "ohne neue Schulden" und in "seltener Einhelligkeit" zwischen ÖVP und SPÖ über die Bühne gebracht worden sei. Herbert Paierl, der nach dem Zerwürfnis mit Waltraud Klasnic aus der Politik ausschied, später mehrmals als ÖVP-Wirtschaftsminister im Gespräch war und heute als Unternehmer tätig ist, will sich zu "seinem" 2002er-Nulldefizit nicht äußern - aber auch nicht in Abrede stellen, dass die Sache "historisch korrekt" sei.
Während Voves und Schützenhöfer beharren, sie hätten es erstmals seit 40 Jahren geschafft, ein Nulldefizit zu erwirtschaften, lässt die heutige SPÖ-Finanzlandesrätin Bettina Vollath auf Nachfrage des STANDARD ausrichten, ja, es stimme, Paierl habe damals ein Budget ohne Neuverschuldung vorgelegt. Das sei aber nur mit Einmaleffekten wie dem Verkauf von Wohnbaudarlehen gelungen. Vollath räumt jedoch ein, dass auch fürs Nulldefizit-Budget 2015 einmalige Maßnahmen wie die Auflösung von Finanzierungsreserven wirksam werden. (Walter Müller, DER STANDARD, 9.10.2014)