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Chinas Premier Li Keqiang tourt durch Europa.

Foto: Reuters/Pool

Die USA und Europa wollen, dass sich Chinas Regierung mit eigenen Aktivitäten an der globalen Koalition gegen die Terroristen des radikalen "Islamischen Staat" beteiligt. Unmittelbar vor dem Deutschland- und Europabesuch von Premier Li Keqiang und vier Wochen vor dem Treffen von 21 Regierungschefs der asiatisch-pazifischen Regionen (Apec) in Peking kommt das Thema IS überall auf die internationale Tagesordnung. China sei selbst ein "Opfer des Terrorismus" und unterhalte in dieser Frage "eine gute Kooperation mit anderen Staaten", sagte der neue Vizeaußenminister Wang Zhao in Peking.

Der seit Jänner amtierende Wang begleitet Chinas Premier auf seiner am Donnerstag beginnenden Europareise. Li besucht vom 9. bis 17. Oktober Berlin, Hamburg und auch Moskau und Rom. Er nimmt am Ende seiner Besuche am Asien-Europa-Gipfel (Asem) teil. Nach Aufnahme der neuen Mitglieder Kasachstan und Kroatien gehören Asem 53 Staaten an. Beim Asem-Treffen wie auch in Berlin wird das Thema IS mit auf der Agenda stehen. In Interviews mit chinesischen Zeitungen wie der "Global Times" warb der deutsche Botschafter Michael Clauss schon im Vorfeld um eine aktivere Beteiligung Pekings. Die globale Koalition gegen die IS sei kein militärisches Bündnis. Es sei eine Absprache unterschiedlicher Akteure, sich gegen die IS zu engagieren.

Treffen mit Obama

Mehr Druck auf China üben die USA aus, wo Politiker die abwartend-taktierende bisherige chinesische Außenpolitik gegenüber dem Nahen Osten als Mentalität von "Trittbrettfahrern" kritisierte. Peking wies solche Vorwürfe entrüstet zurück. Wie Hongkongs "South China Morning Post" am Mittwoch meldete, wollen nun US-Präsident Barack Obama und Chinas Staatsführer Xi Jinping einen Tag nach Ende des Apec-Gipfels über gemeinsame Aktionen zur IS-Bekämpfung beraten.

Während ihres Sondertreffens am 12. November, das einen ganzen Tag dauern soll, wollten sie auch über ihre mögliche Zusammenarbeit gegen IS sprechen, vom Austausch ihrer geheimdienstliche Erkenntnisse bis zu gemeinsamen Maßnahmen zum Stopp von Finanzierung und Waffenlieferung an Terrorgruppen. Die Initiative sei von der Pekinger Führung ausgegangen. China sei, so wie auch die Regierungen Europas und die USA im Fall ihrer Staatsbürger, über zunehmende Hinweise auf chinesische Aktivisten und Islamisten beunruhigt, die sich den Terroristen angeschlossen haben.

"Kein Grund" für Beteiligung

Allerdings ist Chinas mögliche aktive Beteiligung am Kampf gegen die IS in der chinesischen Öffentlichkeit scharf umstritten. Der Wirtschaftsforscher Mei Xinyu vom Handelsministerium schrieb am Mittwoch in der "China Daily", dass es "keinen Grund" gebe, warum sich sein Land dem Kreuzzug des Westens gegen den "Islamischen Staat" anschließen sollte. Der Westen habe im Mittleren Osten viel mehr geostrategische und geopolitische Interessen und viel mehr zu verlieren als China. Das gelte auch für Pekings angebliche Abhängigkeit von Ölimporten. Die seien ohnehin nur in Gefahr, wenn die IS die Felder besetze und zerstöre. China sollte daher die Aktionen gegen die IS nur politisch unterstützen, aber nicht selbst eingreifen, weil das sonst nur zur "Schwächung seiner Ressourcen und Stärke" führen könnte. Es sollte sich stattdessen auf die Niederschlagung seiner einheimischen Terroristen konzentrieren.

Im Mittelpunkt der Europareise von Chinas Premier steht auf jeder Station die Ankurbelung des Wirtschaftsaustausch, der in den ersten acht Monaten 2014 für ganz Europa um zwölf Prozent stieg. Speziell will Li eine Reihe von bilateralen Abkommen im Zuge von Innovationspartnerschaften unterzeichnen, am weitestgehenden vor allem mit Berlin. 15 Minister begleiten ihn dafür zur dritten gemeinsamen Kabinettssitzung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Menschenrechtsdialog nur "graduell"

Mit der Bundesrepublik wickelte China 2013 Im- und Exporte im Wert von 160 Milliarden US-Dollar, rund 30 Prozent seines gesamten europäischen Handels, ab. Jänner bis August 2014 stieg das Handelsvolumen um weitere 12,2 Prozent Wachstum auf 117 Milliarden
US-Dollar an, sagte Wang. Auf die Frage, ob China bereit ist, sich neben der angestrebten Partnerschaft zur fast ausschließlich technologisch verstandenen Innovation auch einer gesellschaftlichen, rechtsstaatsmäßigen und menschenrechtlichen Erneuerung zu öffnen, sagte Wang, dass das Entwicklungsland eine "graduelle Herangehensweise" verfolge.

Es führe mit Deutschland einen Menschenrechtsdialog auf der Grundlage gegenseitigen Respekts. Er riet, das Aktionsprogramm abzuwarten. Es werde sehr viele Kooperationsgebiete nennen und sei umfassender, als viele erwarten würden. Die neue Kooperation mit Deutschland hatte im März Staatspräsident Xi Jinping eingefädelt. Wie die "Beijing News" meldete, vereinbarte er mit Merkel eine Erweiterung der von China so genannten "umfassenden strategischen Partnerschaft" mit Deutschland. Sie soll nun auch noch das Beiwort "innovativ" erhalten.

Russland Vorzugspartner

Der politische Vorzugspartner Chinas heißt aber Russland. Vizeaußenminister Cheng Guoping machte auf der Pressekonferenz keinen Hehl daraus, dass Premier Li mit seiner Reise nach Moskau Putin den Rücken stärkt. China ist auch das einzige Land, mit dem die wegen der Ukraine-Krise unter Sanktionen stehende russische Wirtschaft Jänner bis August 2014 um 5,7 Prozent zulegen konnte. Peking und Moskau vertrauten sich politisch, respektieren ihre jeweiligen "Kerninteressen". Sie würden über eine Reihe von Kooperationsprojekten verhandeln und 50 Vereinbarungen unterzeichnen. (Johnny Erling, derStandard.at, 8.10.2014)