Leibnitz - Der Frauenberg bei Leibnitz in der Südsteiermark gilt als uralter Kultplatz. Die ältesten Funde stammen aus der Jungsteinzeit, später siedelten die Kelten an diesem Ort und errichteten ein Heiligtum auf einer exponierten Terrasse. Man geht heute davon aus, dass keltische Stämme ab dem zweiten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung in der Steiermark eingewandert sind.

Welche kultische Bedeutung der Ort für die Kelten hatte, geht aus früheren Funden hervor: Knochenreste lassen darauf schließen, dass hier im Laufe der Zeit offenbar Tausende Rinder, Schweine und Pferde geopfert wurden, auch Silbermünzen und Waffen wurden bei den Ausgrabungen seit Mitte der 1990er-Jahre entdeckt. Die Opfer galten damals wahrscheinlich einer kriegerischen Gottheit, wie die Archäologen heute vermuten.

Foto: Bernhard Schrettle

In der keltisch-römischen Übergangsperiode während der frühen Kaiserzeit wurde das Heiligtum von den Römern übernommen und zu einem monumentalen Tempelbezirk ausgebaut (Rekonstruktion oben). Unklar war allerdings, welche Gottheit hier verehrt wurde, auch wenn man bereits Vermutungen hatte. Diese Frage konnte nun durch einen spektakulären Fund eindeutig geklärt werden: Archäologen um Bernhard Schrettle von der Archäologisch-Sozialen Initiative Steiermark entdeckten am Dienstag in der Verfüllung einer Grube die römische Statuette einer Isis, die ein Wickelkind stillt.

Foto: Bernhard Schrettle

Schrettle schätzt die Statuette (im Bild) nach ersten Untersuchungen auf ein Alter von rund 1.900 Jahre. Weitere Funde lassen den Schluss zu, dass die etwas mehr als faustgroße steinerne Skulptur nach der Zerstörung des römischen Tempels am Ende des vierten Jahrunderts entsorgt wurde. Der Isiskult war durch die Handelsbeziehungen zwischen Rom und Ägypten in der Kaiserzeit und der Spätantike im Römischen Reich ein weit verbreiteter Mysterienkult.

Foto: Bernhard Schrettle

Der Fund ist laut Schrettle religionsgeschichtlich von kaum zu überschätzender Bedeutung, belegt er doch, dass am Frauenberg der keltische Kult der Muttergottheit Noreia mit dem Kult der ägyptischen Gottheit Isis verschmolzen wurde. Damit erlangt das Artefakt auch überregionale Relevanz, denn ähnliches dürfte auch auf andere Orte, wo die römische Kultur auf die keltisch traf, zutreffen.

Der dargestellte Typus der sogenannten "Isis Lactans" findet später seine Entsprechung in den Bildnissen der Maria, die Jesus die Brust gibt - eine ikonografische Kontinuität, die sich am Frauenberg auch baulich widerspiegelt: Heute befindet sich dort eine Marien-Wallfahrtskirche (im Bild). (tberg, red/derStandard.at, 8.10.2014)

Foto: Zairon