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Aus Hypo-Gutachten ergibt sich ein Kapitalloch per Ende 2009.


Foto: Reuters/Bader

Wien - Ziemlich heftig hat das Konkursverfahren des früheren Hypo-Alpe-Adria-Chefs Wolfgang Kulterer begonnen. Die Bank hat laut eigenen Angaben in der ersten Prüfungstagsatzung Forderungen von sage und schreibe 581 Millionen Euro angemeldet. Diese Summe ergebe sich aus der gemeinschaftlichen Haftung von Kulterer und anderen Exmanagern rund um Straf- und Zivilprozesse. Insgesamt haben Gläubiger rund 600 Mio. Euro angemeldet.

Um hohe Summen geht es auch im Streit zwischen Hypo und BayernLB. Die Hypo hat ja alle Kreditrückzahlungen an ihrer frühere Mehrheitsaktionärin (2007 bis zur Notverstaatlichung Ende 2009) gestoppt, die hat daher in München auf Zahlung geklagt. Die Österreicher argumentieren, bei den zwei Mrd. Euro gehe es nicht um Kredite, sondern um nicht rückzahlbaren Eigenkapitalersatz, weil die Hypo zur Zeit der Geldflüsse in der Krise gewesen sei.

Eigenkapitallücke

Vorige Woche haben die Hypo-Anwälte nach- und beim Münchner Zivilgericht drei Gutachten vorgelegt. Der Grazer Wirtschaftsprüfer Fritz Kleiner, die Wiener KPMG und die Linzer Kanzlei AKKT haben im Auftrag der Staatsbank die Hypo-Leasinggesellschaften (Kleiner), die Kundenforderungen der Hypo International (AKKT) in der Bayern-Ära unter die Lupe genommen, Wirtschaftsprüfer KPMG hat, darauf fußend, das Eigenkapital der Bank per Ende 2012 überprüft.

Um es vorwegzunehmen: Die Gutachter kommen zum Schluss, dass die Wertberichtigungen um insgesamt rund drei Milliarden Euro höher hätten ausfallen müssen. Laut KPMG hatte die Hypo daher zum Zeitpunkt ihrer Notverstaatlichung ein Eigenkapitalloch von 2,2 Mrd. Euro - in der Bilanz war jedoch ein Plus von 1,59 Mrd. Euro ausgewiesen worden. Die Eigenkapitalquote habe damals minus 13,5 Prozent (ausgewiesen: plus 8,11 Prozent) betragen, die Unterdeckung 21,5 Prozent. Laut einem Sprecher der Bank prüft man rechtliche Schritte.

Leasing-Crux

Was er nicht dazu sagt: Diese, die Bayern belastenden, Privatgutachten werden wohl eine Hauptrolle in den laufenden Vergleichsverhandlungen zwischen Wien und München spielen.

Die größten Widersprüche und den höchsten zusätzlichen Wertberichtigungsbedarf - 2,66 Milliarden Euro - ergeben sich aus dem 285-seitigen Kleiner-Gutachten. 14 Leasinggesellschaften besaß die Hypo, sie hatten (im Gegensatz zur Bank) den Vorteil, nicht unter der Kontrolle der Bankenaufseher zu stehen.

Laut Gutachten haben sich alle Leasing-Urenkelgesellschaften der Hypo von 2007 bis Ende 2009 "stark negativ entwickelt", es sei "deutlich ersichtlich", dass "die Risikovorsorgen für ihr Portfolio nicht angemessen und zu gering waren". Zum Zeitpunkt der Mittelvergabe hätte man davon ausgehen müssen, dass nur 30 Prozent des Geldes zurückfließen würden. Diese bescheidene Quote ergibt sich aus jener Asset-Prüfung, die die PwC Mitte 2009 im Auftrag der BayernLB durchgeführt hatte.

Teure Refinanzierung

Fazit: Die Leasinggesellschaften hätte Ende 2009 nicht 542 Mio. Euro an Wertberichtigungen verbuchen müssen, sondern zusätzlich fast 1,5 Mrd. Euro - mit entsprechender Auswirkung aufs Eigenkapital.

Finanziert wurden die Leasinggesellschaften großteils von der Hypo (genauer: HB International), die ihnen Kredite und Kapitalzuschüsse gab. Diese Refinanzierungslinien erreichten ihre Spitze im März 2009: rund 7,1 Mrd. Euro hatte die Hypo damals in den Leasinggesellschaften stecken. Hätte sie deren schwache Rückzahlungsfähigkeit einkalkuliert, so der Gutachter sinngemäß, hätte sie in der 2009er-Bilanz allein die Wertberichtigungen für diese "Refi"-Linien um 2,34 Mrd. Euro höher ansetzen müssen. Zudem hätte die HB International die Buchwerte der Gesellschaften um rund 318.000 Euro reduzieren müssen. Macht, summa summarum, 2,66 Mrd. Euro.

Die Hypo-Aufsichtsratsmitglieder sollen erst ab 2009 "zaghaft" begonnen haben, das Risiko der ständigen "Refi"-Erhöhungen anzusprechen. Diese "Versuche" seien aber ohne weitere Maßnahmen geblieben.

Kreisfinanzierung

Mehr noch: Die Bank finanzierte eigene Dividendenbezüge. Für die Hypo Slowenien (HLS) wurde das Refi-Limit noch 2009 um fast 46 Mio. Euro auf 2,6 Mrd. Euro erhöht - "um die fristgerechte Dividendenzahlung der HLS an die Leasing-Holding" zu schaffen, wie es im Antrag an den Aufsichtsrat hieß. Die Frage eines Kontrollors, ob er "richtig verstanden habe, dass Dividenden gezahlt und dann wieder zurückgeholt werden", wurde bejaht.

Der Aufsichtsrat stimmte dem Antrag übrigens einstimmig zu. (Renate Graber, DER STANDARD, 8.10.2014)