Berater, Lakaien, Weggefährten - Helmut Kohl hat in den 16 Jahren seiner Kanzlerschaft (1982 bis 1998) und auch danach unzählige Menschen um sich gehabt. Doch kaum jemandem hat er sich so anvertraut wie dem Journalisten und Historiker Heribert Schwan, der nun die Protokolle dieser Gespräche gegen den Willen des schwerkranken Altkanzlers veröffentlicht hat.

"Helmut Kohl ist mein Lebensthema geworden", sagt Schwan. Und Kohl selbst hat seinen früher wohlgelittenen und nun verhassten Biografen Schwan einmal als einen "Volksschriftsteller" bezeichnet.

Der heute 69-jährige Schwan ist 14 Jahre jünger als Kohl. Beide stammen aus Rheinland-Pfalz, wo Kohl 1969 seine Karriere als Ministerpräsident beginnt. Da studiert Schwan in Mainz Geschichte, Germanistik und Politikwissenschaft. Danach arbeitet er zunächst als freier Radio- und Fernsehautor, geht 1974 zum Deutschlandfunk und wechselt von dort 1989 zum WDR. In dieser Zeit fällt er Kohl zum ersten Mal auf. Dem damaligen Kanzler gefällt ein Porträt Schwans von Kohls Frau Hannelore.

Dieses öffnet Schwan die Tür zum Kanzler, die beiden kommen einander näher. Und als Kohl nach seiner Abwahl seine Memoiren herausbringen will, ist schnell klar, wer ihm helfen soll: Schwan, der schon über die Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker und Johannes Rau publiziert hat und dessen historische Dokumentationen vielfach preisgekrönt sind.

2000 und 2001 geht Schwan bei Kohl in Ludwigshafen-Oggersheim ein und aus. Er erhält nicht nur Einblick in Partei- und Regierungsprotokolle, der Altkanzler spricht auch 630 Stunden lang frei von der Leber weg und diktiert Schwan, wen im CDU-Kosmos er für einen Verräter hält (viele) und wen er schätzt (kaum jemanden).

Auch Hannelore Kohl vertraut sich Schwan an. Nach ihrem Freitod gibt er ihre Biografie heraus. Sie wird ein Bestseller wie die ersten drei Bände der Kohl-Memoiren, für die Schwan Ghostwriter ist. Der vierte Band ist halb fertig, als es 2009 zum Bruch kommt. Schwan wird vor die Tür gesetzt - nicht von Kohl, sondern von dessen zweiter Frau Maike Richter-Kohl, wie der Biograf überzeugt ist. Die Tonbänder aber hat er mitgenommen und Unveröffentlichtes nun veröffentlicht. Dass damit das Tischtuch zwischen ihm und Kohl endgültig zerschnitten ist, ist Schwan klar: "Wen Kohl einmal hasst, den hasst er bis in alle Ewigkeit, bis ins Grab." (Birgit Baumann, DER STANDARD, 8.10.2014)