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Zufriedenheit nach der Rede: Seit David Camerons Auftritt beim Parteitag der Konservativen sieht zumindest seine persönliche Zukunft besser aus.

Foto: REUTERS/POOL/Stefan Rousseau

Die Konservativen bereiten Großbritanniens Abkehr von der Europäischen Menschenrechtskonvention vor. Einem Arbeitspapier des Justizministers Chris Grayling zufolge sollen Urteile des Straßburger Gerichtshofs in Zukunft durch Beschlüsse des Unterhauses in London aufgehoben werden können. Durch die Urteile aus Straßburg habe sein Land in jüngster Zeit "unfreiwillig eine Verfassung erhalten und wichtige Teile unserer Souveränität fallengelassen", fürchtet Grayling. Der liberale Koalitionspartner kündigte ein Veto gegen den Plan an.

Die Konvention stammt aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts und wurde wesentlich von britischen Juristen mitformuliert. Der Gerichtshof ist eine Institution des Europarats mit 47 Mitgliedern, darunter auch die Schweiz und Russland, untersteht also nicht der Ägide der EU. Unter der Regierung des Juristen Tony Blair wurde die Konvention 1998 in ein Menschenrechtsgesetz integriert.

Fast nur Siege für London

Laut unterschiedlichen Statistiken hat Großbritannien zwischen 98 und 99,5 Prozent aller Klagen, die gegen das Land angestrengt wurden, gewonnen. Zu den Niederlagen zählten Urteile in Nordirland, darunter das Verbot demütigender Praktiken gegen inhaftierte Terrorverdächtige sowie die Entkriminalisierung von Homo sexualität. Zuletzt sorgten allerdings Urteile zugunsten islamistischer Hassprediger und Strafgefangener über Parteigrenzen hinweg für Unverständnis.

Auch die Labour-Opposition wünscht sich von Straßburg Reformen, darunter auch "eine bessere Qualität von Richtern". Der justizpolitische Sprecher Sadiq Khan bezichtigt die Konservativen aber, ihnen gehe es vor allem um die Beschwichtigung europa-feindlicher Wähler. Tatsächlich hat der Übertritt zweier konservativer Hinterbänkler zur nationalpopulistischen Partei Ukip Premier Cameron in Verlegenheit gebracht.

Fragen zu Schottland und Nordirland

Der Premier hatte am Mittwoch den Rückzug von der Europäischen Menschenrechtskonvention angedeutet: "Wir brauchen keine Instruktionen durch Straßburger Richter." Nach Camerons positiv aufgenommener Parteitagsrede hat eine Umfrage den Tories (35 Prozent) erstmals einen Vorsprung vor Labour (34) gegeben; andere Umfragen sehen die Opposition hingegen weiter vorn.

Graylings Papier soll offenbar ins Programm für die Wahl 2015 eingehen. Die schärfste Kritik kam von Parteifreunden. Der Ex-Generalstaatsanwalt Dominic Grieve, im Juli von Cameron aus dem Kabinett gefeuert, redet von einem "kindischen Vorschlag". Unter anderem sei etwa unklar, wie die Einbettung der Konvention in die Autonomiestatute für Nordirland und Schottland verändert werden soll. (Sebastian Borger aus London, DER STANDARD, 4.10.2014)