Bild nicht mehr verfügbar.

Chadwick Boseman wird für seine energetische Verkörperung von James Brown bereits als Filmpreisanwärter gehandelt: Für "Get On Up" machte er sich die richtigen Moves zu eigen.

Foto: AP/Universal Pictures

STANDARD: Lassen Sie mich mit einer Frage beginnen, die auch im Film gestellt wird - von einer weißen Journalistin, die Musik wie eine Fremdsprache behandelt. Was ist der Groove?

Boseman: (lacht) Der Groove! Was den Tanz anlangt, ist das die Weise, wie der Performer Schritt hält, er macht eine Art Metronom für die Band. Der Groove, das sind alle diese Bewegungen, die einen gewissen Flash haben, eine Slickness. Der Groove ist die Grundlage für den Rest der Fußarbeit, für die Moves. Mit dem Groove verführt er das Publikum, er macht Liebe mit dem Publikum, aber er hält auch die Band auf Kurs.

STANDARD: Man hat den Groove, oder man hat ihn nicht?

Boseman: Ich glaube, alle haben den Groove. Man muss ihn nur finden.

STANDARD: Sie wurden für die Rolle von James Brown wohl ausgewählt, weil Sie den Groove schon gefunden haben.

Boseman: Ich bin mir da gar nicht so sicher. Meine Frage war ja: Kann ich die Performance von James Brown zum Leben erwecken? Ich glaube, Tate Taylor, der Regisseur, mochte mich einfach. Ich bin aus South Carolina, das passte auch. Er betete darum, dass ich auch tanzen konnte.

STANDARD: Welche Rolle spielte James Brown in Ihrer eigenen musikalischen Sozialisation?

Boseman: Für mich ist er genau das, was sein Titel ist: der Godfather of Soul. Und auch der Godfather des Hip-Hop. Er wurde ja so oft gesampelt, und man erkannte einfach die Samples, ohne notwendigerweise die Songs selbst kennen zu müssen, so stark und originär ist sein Stil. Er ist Teil des musikalischen Alphabets.

STANDARD: War er ein musikalischer Revolutionär?

Boseman: Ich sehe eher das Kontinuum. Als er nach Afrika ging, nach Zaire, Ghana, Nigeria, Senegal, erkannten die Menschen dort, dass er ihre Musik machte. Fela (Kuti) sagte, im Spaß: "Hey, du stiehlst meine Musik." Tatsächlich war es umgekehrt. James Brown war es gar nicht bewusst, dass er afrikanische Musik machte, aber das kam aus ihm heraus, ein polyrhythmisches Kontinuum, von dem er nichts wusste. Er lebte im Wald, wurde von seiner Mutter, später auch von seinem Vater verlassen. Er hörte nach draußen. Damit begann seine Musik. Es gibt eine Szene, die nicht mehr im Film ist, wo er mit allem trommelt, was er in dieser Hütte im Wald vorfindet. Es geht, weil er es hört. Das sagt uns diese Szene.

STANDARD: Der Film erzählt natürlich nicht von James Brown per se, er stellt uns eine Figur in einer bestimmten Perspektive vor. Haben Sie sich da eingebracht?

Boseman: Der Hauptdarsteller äußert sich immer zum Drehbuch. Ich hatte Anmerkungen zu Struktur, zum Tonfall, man arbeitet zusammen. Viele Szenen finden sich dann nicht im Film.

STANDARD: Die frühen Rolling Stones werden einmal en passant im Film als "instant has-beens" bezeichnet, also als schon wieder vorbei. Das hat sich ja als Irrtum erwiesen, wodurch die Bemerkung etwas billig wirkt. Zumal Mick Jagger an "Get On Up" beteiligt war.

Boseman: Mick Jagger sollte eigentlich eine Dokumentation machen, denn ein Freund von ihm hat die Rechte an den Songs von James Brown. Jagger wollte zudem einen Spielfilm machen. Er hat immer großen Respekt vor ihm gehabt. Die Stones haben sicher ihre eigene Version von schwarzer Musik entwickelt.

STANDARD: "Sex Machine" ist wohl der bekannteste Titel von James Brown. Warum wird Sex im Film wie eine Nebensache behandelt?

Boseman: Dazu kann ich nichts sagen, das betrifft den Regisseur. Wir drehten den ganzen Sex. Warum das nicht im Film ist, kann ich nicht sagen.

STANDARD: Sie stammen, wie Sie schon sagten, aus South Carolina. Sind Sie mit Blues und Gospel groß geworden?

Boseman: Musik war wichtig, aber ich hatte den Blues nicht um mich. Ich hatte den Blues in mir. Ich habe beobachtet, wie Hip-Hop daraus wurde. Meine Eltern singen nicht, meine Mutter ist eine "nurse", mein Vater hat in einer "cotton mill" gearbeitet.

STANDARD: Wie kamen Sie zum Schauspiel?

Boseman: Mein älterer Bruder war Tänzer, das brachte mir das Theater näher, ich sah bei Proben zu, hing mit Performern ab. Ich sah mich eher als zukünftigen Regisseur, und als ich mir darüber klar werden wollte, wie man da mit Schauspielern sprechen müsste, wurde ich selbst ein Schauspieler.

STANDARD: Wie verhält es sich mit den Civil Rights? Ein Thema in der Familie?

Boseman: Das war in der Familie da - und absolut wichtig. Ich glaube, man hat da gar keine Wahl.

STANDARD: Wie steht es um die Anliegen der Bürgerrechtsbewegung, wenn man sich vor Augen hält, dass es auch unter Obama Ereignisse wie in Ferguson geben kann?

Boseman: Ich hatte nie den Eindruck, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der Rasse keine Rolle mehr spielt. Wir sind keine "postracial society". Der Glaube, wir wären schon so weit, hielt uns da facto auf, denn er trug dazu bei, dass Realitäten verdrängt werden. Ich glaube, wir haben noch sehr viel zu tun. (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 4.10.2014)