Macht korrumpiert auch die Ehrlichen - zumindest in der Anonymität. Das geht aus einem Experiment von Schweizer Forschern hervor, über die sie im Fachjournal "The Leadership Quarterly" berichten. Die Forscher folgern, dass nur starke, kontrollierte Institutionen vor Korruption schützen.

John Antonakis vom Departement für Organisationelles Verhalten der Uni Lausanne und seine Kollegen wollten wissen, ob der Ausspruch des britischen Barons Acton (1834-1902) von vor über 100 Jahren zutrifft: "Macht korrumpiert und absolute Macht korrumpiert absolut." Die Alternative wäre, dass korrupte Menschen eher von Machtpositionen angezogen werden.

Institutionen handeln in der Regel nach der zweiten Alternative: Sie suchen für Führungspositionen typischerweise nach Personen mit gewünschten Charakterzügen wie Ehrlichkeit und Vertrauenswürdigkeit.

Macht korrumpiert

Antonakis' Team führte ein Experiment durch, bei dem ganz normale Menschen Diktator spielen durften. Fast 500 Teilnehmer wurden zufällig entweder als Leader oder Anhänger eingeteilt, die Leader durften einen Geldbetrag zwischen sich und ihren Anhängern aufteilen.

Dabei konnten sie anonym entweder eine für alle günstige Wahl treffen, bei der am Schluss unter dem Strich für alle mehr Geld vorhanden war (die Differenz ergänzten die Forscher), oder eine antisoziale Wahl, bei der der Leader mehr bekam, die Anhänger aber weniger und alle zusammen am Schluss auch weniger besaßen.

"Die Resultate waren klar: Macht korrumpiert", sagte Antonakis in einem Podcast der Hochschule. Je mehr Anhänger ein "Diktator" hatte - und damit Macht - und je öfter er diese Entscheidungen fällen durfte, desto mehr behielt er für sich - zum Schaden der Allgemeinheit.

Guter Leader, schlechter Leader

In einer zweiten Studie wollten die Forscher wissen, ob Persönlichkeitszüge oder der Testosteronspiegel die Korrumpierbarkeit beeinflussen. Diese erhoben die Forscher bei 240 Probanden einige Wochen vor dem Versuch. Sie befragten die Teilnehmenden auch, wie sich ein guter Leader verhalten sollte.

Obwohl 80 Prozent angaben, dass ein guter Leader nicht antisozial handeln dürfe, taten die meisten von ihnen im Spiel genau das. Und je mehr Macht - also mehr Anhänger - sie in späteren Spieldurchgängen bekamen, desto größer wurde der Anteil der Korrupten. Nur jeder Fünfte schaffte es, ehrlich zu bleiben.

Weiter zeigte sich, dass hohe Testosteronwerte den korrumpierenden Effekt der Macht vergrößerten. Menschen mit hohen Werten für Ehrlichkeit entschieden immerhin bei den ersten Wiederholungen seltener antisozial. Doch mit Fortschreiten des Spiels wurden auch sie von der Macht korrumpiert und entschieden häufiger zum eigenen Nutzen und zum Schaden aller.

Die Forscher schließen aus ihrer Studie, dass niemand vor dem korrumpierenden Einfluss der Macht geschützt ist - zumindest in der Anonymität dieses Spiels. "Starke und gut kontrollierte Institutionen sind der Schlüssel, um Führungspersonen im Zaum zu halten", folgern sie. (APA, 2.10.2014)