Bei Neriidae-Fliegen könnte zutreffen, was die moderne Genetik schon längst verworfen hatte: das Prinzip der Telegonie.

Foto: Russell Bonduriansky

Sydney - Die auf Aristoteles zurückgehende Vererbungstheorie der Telegonie galt lange als unumstößlich. Sie besagt, dass das Erscheinungsbild eines Organismus nicht nur von den eigenen Eltern, sondern auch von früheren männlichen Sexualpartnern der Mutter geprägt werden kann. Bis weit ins 19. Jahrhundert teilte man diese Annahme, so kommt sie etwa noch bei Charles Darwin und Herbert Spencer vor.

Die Wissenschaft hat die Telegonie jedoch spätestens mit der Entdeckung der Vererbungsgesetze durch Gregor Johann Mendel, den "Vater der Genetik", verworfen. Sie ist mit heutigen Annahmen inkonsistent - Experimente mit unterschiedlichen Spezies und groß angelegte statistische Untersuchungen bei Menschen änderten daran nichts. Bis jetzt.

Denn nun wollen australische Forscher um Angela Crean von der University of New South Wales einen Nachweis für eine solche telegonische Vererbung bei Fliegen erbracht haben. Wie sie in den "Ecology Letters" berichten, beeinflussen männliche Sexualpartner bei Fliegen aus der Familie der Neriidae die Größe von Nachkommen, die andere Männchen nach ihnen gezeugt haben. "Unsere Experimente zeigen, dass das Konzept der Telegonie zu früh verworfen wurde - zumindest für Fliegen", sagte Crean zum STANDARD.

Verräterische Größe

Die Forscher züchteten durch nährstoffreiche oder -arme Nahrung männliche Fliegen mit erheblichen Größenunterschieden. Dann wurden noch nicht voll entwickelte Weibchen mit entweder einem großen oder einem kleinen Männchen gepaart. Als die Weibchen ausgewachsen waren, kam es abermals zur Paarung und diesmal auch zur Befruchtung. Als Sexualpartner fungierten nun aber Männchen, die sich größenmäßig deutlich von ihren Vorgängern unterschieden.

Das Ergebnis: "Obwohl die zweiten Partner die Väter waren, wurde die Größe der Nachkommen eindeutig durch den früheren Sexualpartner bestimmt", so Crean. Die Forscher vermuten, dass Bestandteile der Samenflüssigkeit der ersten Partner die noch unreifen Eier der jungen Weibchen veränderten und so das Wachstum der Sprösslinge ihrer Nachfolger beeinflussten.

Crean will nun herausfinden, ob sich diese Tatsache auf das Verhalten der Weibchen auswirkt. Denkbar wäre etwa, dass sie frühe Geschlechtspartner gezielt nach phänotypischen Vorteilen für spätere Nachkommen auswählen. Was dies nun alles für die Vererbungslehre bedeutet, ist noch unklar. Aristoteles könnte aber wieder einmal recht behalten. (David Rennert, DER STANDARD, 2.10.2014)