Wien - "Kommt alle ins Audimax, die Uni ist besetzt", lautete ein SMS-Text, der vor knapp fünf Jahren auf den Telefondisplays vieler Wiener Studierender erschien.

Am 22. Oktober 2009 wurde der größte Hörsaal der Universität Wien, das Auditorium maximum - kurz Audimax -, von Studierenden besetzt und "Unibrennt" geboren. Die Besetzung dauerte knapp zwei Monate an, bis die Universitätsleitung im Dezember den Hörsaal frühmorgens räumen ließ.

Diesen Oktober feiert die Unibesetzung ihren fünften Geburtstag. Auf den Mitmach-Flyern stützt eine römische Fünf die Universität im altbekannten Unibrennt-Logo. Über den Sommer installierte sich ein Organisationsplenum aus ehemaligen Besetzern, Studierendenvertretern und interessierten Jungstudierenden, um den Jahrestag zu begehen.

Mehr Beschränkungen

Seit 2009 hat sich bildungspolitisch einiges getan. Jedoch nicht im Sinne der einstigen "Audimaxisten". Kaum eine der Forderungen aus dem Hörsaal konnte umgesetzt werden. Noch nie standen Studieninteressierte vor so vielen Zugangsbeschränkungen, die Studieneingans- und Orientierungsphasen sind genauso studentische Realität wie verhasste Erweiterungscurricula. Studieren ist weder freier noch selbstbestimmter geworden. Und Internationale Entwicklung (IE), die vor fünf Jahren noch ihr eigenes Institut forderte, kann man nur noch im Master studieren.

Außerdem wurde mittlerweile in beinahe allen Studienrichtungen der stark kritisierte Bachelor als Erstabschluss eingeführt. Sogar die Kunststudien sind dem nicht ausgekommen. Dabei ging von der Akademie der bildenden Künste damals der Protest aus - aufgrund der drohenden Umsetzung des Bologna-Prozesses.

Was von Unibrennt geblieben ist, ist also nicht viel: Eine Homepage, ein Archiv, ein Film und viel "Nostalgie", scherzt Nicole Kornherr, eine ehemalige Besetzerin. Zum Jubiläum entschied sich die IE-Absolventin, wieder aktiv zu werden. Eine bildungspolitische Aktionswoche von 20. bis 27. Oktober plant sie im Plenum. Workshops, Demo, Kulturprogramm: Neue Aktionsformen sollen her. "Besetzen ist für mich so was von 2009", sagt Kornherr.

Es wäre zwar nicht ausgeschlossen, spiele aber in der Planung keine Rolle. Für das Organisationsteam wäre es sehr schwer vorstellbar. Die "Lebensumstände" hätten sich geändert. Einige haben Vollzeitjobs, Kornherr selbst ist frisch an der Fachhochschule - kurz: Die ehemaligen Besetzer haben neue Verantwortung übernommen. Wochenlang die Uni nicht zu verlassen geht da nicht mehr. Plus: "Wir blockieren uns damit selbst, und es ist der Gesamtgesellschaft egal. So traurig es klingt", meint Kornherr.

Damals, als die Uni brannte

Besetzen sei zwar "ein wichtiges und legitimes Mittel", speziell im Fall der Mietpreiserhöhungen, aber "nicht die richtige Strategie in der Bildungspolitik". Man wolle "2009 nicht kopieren".

Heute setzt Kornherr, die nach eigenen Angaben "vielleicht eine Woche" bei der Besetzung gefehlt hat, eher auf "Lobbyingstrategien, Bündnisarbeit und Vernetzung". Die Aktionswoche soll eine "Initialzündung für etwas anderes" sein: "Wir wollen Splittergruppen zusammenbringen."

Die Welle der Solidarität für die Studierenden im Audimax kam aus dem In- und Ausland. In Graz, Linz, Klagenfurt und Innsbruck kam es auch zu Besetzungen, Zehntausende trafen sich bei Demos auf den Straßen. Der Brand weitete sich auch auf Deutschland aus, wo "Bildungsstreiks" ausgerufen wurden. Im Audimax traten österreichische Bands auf, Promis aus Kunst und Politik diskutierten im Plenum.

Vor Kritik war die Besetzung dennoch nicht gefeit: "Studieren statt blockieren" - eine Facebook-Gruppe - sammelte 20.700 Likes auf Facebook.

Dass es zu solch einem Aufflammen für eine andere Bildungspolitik kommen würde, sah damals niemand kommen. Ob der Funke, der noch übrig blieb, ein neues Feuer entfacht, wird sich zeigen.

pwww.unibrennt.at

2009 besetzten Studierende das Audimax der Universität Wien. Unibrennt war entstanden, und der Funke sprang über und setzte weitere europäische Unis in Brand. (Oona Kroisleitner, DER STANDARD, 2.10.2014)