Der Schauspieler Daniel Straßer in einer Jacke von Prada, einem Hemd und einer Hose von Petar Petrov, einem Netztanktop von Burberry Prorsum und Schuhen von Brioni

Foto: Lukas Gansterer

Bomberjacke von Alpha Industries, Tanktop Schiesser

Foto: Lukas Gansterer

Wendefliegerjacke Hermès, Hemd Giorgio Armani, Unterhose Calvin Klein

Foto: Lukas Gansterer

Jacke Jil Sander, Netztanktop Burberry Prorsum, Hose Giorgio Armani, Schuhe Hermès

Foto: Lukas Gansterer

Pullover Salvatore Ferragamo

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Pullover Astrid Deigner, Schuhe Louis Vuitton

Foto: Lukas Gansterer

Und jetzt wie ein Müllmann!", ruft Daniel Sträßer und stülpt die orange Innenseite seiner Bomberjacke nach außen. An Ideen fehlt es dem Burgschauspieler beim Modeshooting nicht, nur eins ist ungewohnt für ihn: ruhig dazustehen, am Kopf einen Bücherberg balancierend, während Fotograf und Assistentin an ihm herumzupfen, um Bomberjacke und T-Shirt perfekt in Stellung zu bringen. Sträßer will natürlich mithelfen, selbstverständlich für einen Schauspieler, der gewohnt ist, eine riesige Bühne mit seinem Körper zu füllen. Aber dann fallen die Bücher zu Boden.

Model zu sein ist eben doch eine ungewohnte Rolle, vor allem für einen, der sein Burg-Debüt als Shakespeares rasend verliebter Teenager Romeo gab. Sträßer kämpfte mit vollem Körpereinsatz um seine Julia: Unter der verspielten Regie von David Bösch musste er 2011 nicht nur filmreife Fechtszenen absolvieren, sondern auch durch Wasserbecken robben und waghalsig auf Gerüsten herumklettern. "Wild steht sein nasses blondes Haar vom Kopf ab, und er wirkt wie der junge Campino, wie der Frontmann einer lustigen Punkband", schrieb das deutsche Online-Forum "Nachtkritik" begeistert über den damals 24-Jährigen, der erstaunlich souverän zwischen Träumer und Draufgänger pendelte.

Kleidung mit Geschichte

Kein Wunder, dass Sträßer auch privat nicht stillstehen kann. Um sechs Uhr morgens war er bereits in Berlin am Flughafen, um zum Shooting nach Wien zu kommen. Zu allem Überdruss fiel der erste Flug dann aber aus. Abends geht es wieder retour nach Berlin, weil er am nächsten Tag bereits nach Irland aufbrechen muss, wo gerade ein historischer ZDF-Zweiteiler gedreht wird. "Nein, keine Rosamunde-Pilcher-Verfilmung. Warum fragen mich das bloß alle?" Allzu viel darf er nicht verraten über das Projekt, außer: Es spielt im 19. Jahrhundert. "Wir tragen tolle Kostüme: Stehkrägen, Zylinder, alle Kleidungsstücke sind aus schwerem Stoff."

Überhaupt kann sich Sträßer sehr für Mode begeistern, obwohl er zugibt: "Ich bin echt schwierig, was Klamotten betrifft, ich finde selten etwas, das mir gefällt. Am ehesten noch in Second-Hand-Läden. Ich mag es nämlich, wenn ich mit Kleidern etwas verbinde, wenn es eine Geschichte dazu gibt." Privat bevorzugt er einen perfekt legeren Sommerlook, unauffällig und trotzdem cool. Einigen Kleidungsstücken sieht man an, dass sie ihren Träger schon länger begleiten, dass sie eine Geschichte haben. Etwa die lädierten Converse-Schuhe, die schon halb auseinanderfallen. "Diese Marke habe ich schon als Jugendlicher getragen", sagt Sträßer. Dazu hat er eine schwarze enge Jeans an, mit weinrotem Ledergürtel, ein klassisch weißes Feinripp-Unterleibchen und eine Casio-Uhr am Handgelenk.

Seinen schicken Schnauzer im Gesicht verdankt er allerdings einer Rolle: In Katie Mitchells sehr filmischer Inszenierung von "Wunschloses Unglück" im Kasino am Schwarzenbergplatz sieht er dem jungen Peter Handke zum Verwechseln ähnlich. Sobald das Stück abgespielt ist, soll aber auch der Bart wieder ab. Seit sechs Jahren lebt der deutsche Schauspieler, der nahe Saarbrücken geboren wurde, nun schon in Österreich. In Salzburg hat er Schauspiel am Mozarteum studiert - für die Festspielstadt kann er sich aber nach wie vor nicht begeistern. "Salzburg ist wahrscheinlich die schlimmste Stadt der Welt", sagt der Wahlwiener und zündet sich eine Zigarette an. "Die Berge hängen bedrohlich tief über deinem Kopf, 365 Tage im Jahr regnet es oder ist zumindest bewölkt, und im Sommer fallen Touristen ein, die Edeltrachten tragen, Limousinen fahren und 1.000 Euro für eine Opernkarte ausgeben, während es den Rest des Jahres viel zu wenig Kultur für Jugendliche gibt."

Dinge furchtfrei anpacken

Sträßer nimmt sich kein Blatt vor den Mund. Er will nicht unbedingt anecken, aber verbiegen möchte er sich auch nicht. Schließlich geht er auch an seine Rollen furchtfrei heran. "Ich bin erstaunlich selbstbewusst in mein Burg-Engagement hineingeschlittert", erinnert er sich. "Erst jetzt wird mir bewusst, wie sehr man als Schauspieler öffentlich beobachtet und diskutiert wird." Kritiken liest er deshalb prinzipiell keine, er will sich seine "Jungfräulichkeit beim Spielen" bewahren und seinen Sinn fürs Praktische, den er bereits als Waldorf-Schüler ausleben durfte. Dort wurde gehäkelt und gebastelt, was ihm schon früh die Angst genommen hat, "Dinge anzupacken". Sein Motto ist bis heute geblieben: "Man wird es schon lernen können."

Zumindest seine Freundin hat davon jüngst profitiert. Der Jungschauspieler ist kurzerhand in den nächstgelegenen Baumarkt gefahren, hat sich Holz, Schrauben und Werkzeug gekauft und ihr dann ein neues Bett gebastelt. So einfach geht das. Seine Barbour-Jacke, die er vor drei Jahren neu erstanden hat, wachst er übrigens auch selbst. "Das habe ich letzten Winter zum ersten Mal ausprobiert, ich habe den Ofen kräftig eingeheizt und fand den Wachsgeruch und die Arbeit extrem schön."

Sträßer langweilt sich nicht gern, dafür ist das Leben zu kurz und der Job zu fordernd. "Mir ist es wichtig, dass auf Proben zumindest die Möglichkeit besteht, Spaß zu haben. Der Regisseur oder die Regisseurin muss nicht mein Freund sein, aber wir verbringen viel an Lebenszeit gemeinsam, da muss die Energie stimmen." Im Klartext heißt das aber auch: "Ich arbeite hundertmal lieber mit Jan Bosse als mit Andrea Breth" , die als Perfektionistin gilt. Überhaupt mag er Verlogenheiten nicht. Wenn ihm etwa nahegelegt wird, Formulierungen in einem Interview abzuschwächen. "Theater muss einen im Herz und an den Eiern packen", meinte er einmal. Der professionelle Ratschlag: Eier durch Eingeweide zu ersetzen. Wie bieder ist das denn?

Hemd von Prada.
Foto: Lukas Gansterer

Der letzte Tanz

Zuletzt hat er mit der Josefstadt-Diva Erni Mangold gedreht. In dem Film "Der letzte Tanz" spielt er einen Zivildiener, der eine innige Beziehung mit einer betagten Alzheimerpatientin aufbaut. "Erni kann sehr anstrengend sein", sagt er offen. "Aber sie gibt nie Belanglosigkeiten von sich, und ich habe von ihr viel über den bösen, makabren Wiener Witz gelernt, den ich bisher zwar verstanden habe, für den ich aber nicht schnell genug war, um zurückzuschießen." Bei Erni Mangold ist ihm das zum ersten Mal richtig gut gelungen. "Ich war sehr stolz - und sie hat mich danach ins Herz geschlossen."

Sträßer lebt seit drei Jahren in Wien, in einer Wohngemeinschaft zu fünft, darunter auch einige Schauspieler-Kollegen, gleich beim Naschmarkt. Auf der Straße wird er nach wie vor selten erkannt, dafür hat sich in den öffentlichen Reaktionen etwas verändert, wenn er erzählt, am Burgtheater engagiert zu sein. "Früher haben die Leute mit großen Augen bewundernd geschaut", sagt er. "Jetzt, nach dem Finanzskandal, wollen alle nur wissen: Herrscht da wirklich so ein Chaos?"

Bevor er diese Frage beantworten kann, muss er schon los zum Flughafen. Ohne Handgepäck. Für seinen Tagestrip nach Wien hat er nämlich nur mit, was er am Körper trägt und in seinen Hosentaschen Platz findet. Schwere Mäntel und Stehkrägen warten dann sowieso in Irland auf ihn. (Karin Cerny, Rondo, DER STANDARD, 3.10.2014)