Staub und Moleküle in der Zentralregion unserer Milchstraße. Die Moleküle iso-Propylcyanid (links) und normal-Propylcyanid (rechts) wurden in der Sternentstehungsregion "Sagittarius B2" entdeckt.

Illu: MPIfR/A. Weiß/Uni Köln/M. Koerber/MPIfR/A. Belloche

Bonn - Im Weltall existiert eine Vielzahl organischer Moleküle. Eines davon, iso-Propylcyanid, haben Forscher jetzt in der Gaswolke "Sagittarius B2" gefunden, einer Region heftiger Sternentstehung in unmittelbarer Nähe zum Zentrum unserer Milchstraße. Das Außergewöhnliche an dieser Entdeckung: Die verzweigte Struktur der Kohlenstoffatome in iso-Propylcyanid unterscheidet sich von allen anderen Molekülen, die bisher im interstellaren Raum aufgespürt wurden. Der Fund könnte ein Indiz für die Existenz von Aminosäuren sein, berichten Forscher in "Science".

Wasserstoffreiche und kohlenstoffhaltige (organische) Moleküle, wie sie für die Existenz von Leben auf der Erde unverzichtbar sind, treten bevorzugt in Gaswolken auf, in denen neue Sterne entstehen. "Es ist sehr wichtig für uns, zu verstehen, wie organische Moleküle sich bereits in frühen Phasen der Sternentstehung in diesen Gaswolken bilden", sagt Arnaud Belloche vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie, der Erstautor der Studie. "Damit sind wir in der Lage, die einzelnen Phasen von der Entstehung von einfachen Molekülen zu möglicherweise Leben tragender Chemie zusammenzufügen."

Einzigartiger Fund

Seit den 1960er Jahren wurden im interstellaren Raum knapp 180 unterschiedliche Moleküle gefunden. Jedes Molekül sendet Strahlung bei ganz bestimmten unterschiedlichen Wellenlängen und hat damit ein jeweils charakteristisches Muster oder Spektrum. Dieses Spektrum stellt somit eine Art Fingerabdruck dar, über den das Molekül durch Beobachtungen mit Radioteleskopen im Weltall identifiziert werden kann.

Bis jetzt hatten alle organischen Moleküle, die in Sternentstehungsregionen entdeckt wurden, etwas gemeinsam: sie setzen sich jeweils aus einem "Rückgrat" von Kohlenstoffatomen zusammen, die entlang einer mehr oder weniger geraden Kette angeordnet sind. Das nun gefundene Molekül iso-Propylcyanid ist insofern einzigartig, als das die Anordnung seiner Kohlenstoffatome eine Verzweigung mit einem zusätzlichen Ast aufweist.

Vielversprechende Häufigkeit

"Es ist das erste Mal überhaupt, dass solch ein Molekül mit verzweigtem Rückgrat aus Kohlenstoff im interstellaren Raum gefunden werden konnte", sagt Holger Müller, der den spektralen Fingerabdruck des Moleküls im Labor vermessen hat, mit dessen Hilfe es dann auch im Weltraum nachgewiesen werden konnte. Aber nicht nur die Struktur des Moleküls überrascht. Auch die Häufigkeit von iso-Propylcyanid lässt vermuten, dass verzweigte Moleküle in der Tat die Regel und nicht etwa die Ausnahme bei Molekülen im interstellaren Raum darstellen könnten.

Zusätzlich simulierten die Forscher die chemischen Vorgänge bei der Entstehung von iso-Propylcyanid in Computermodellen. Demnach dürfte sich das Molekül auf der Oberfläche von Staubkörnern bilden, die zusammen mit dem Gas interstellare Wolken wie "Sagittarius B2" bevölkern.

Spur zu Meteoriten

In interstellaren Wolken wird noch nach Aminosäuren gesucht, Meteoritenforscher sind indes längst fündig geworden: Mehr als 80 verschiedene Aminosäuren konnten aus Meteoritengestein bereits extrahiert werden. "Die in Meteoriten gefundenen Aminosäuren haben eine Zusammensetzung, die darauf schließen lässt, dass sie im interstellaren Medium entstanden sind", sagt Belloche. "Die interstellare Chemie dürfte zur Erzeugung einer großen Zahl von komplexen Molekülen beigetragen haben, die schließlich ihren Weg auf die Oberfläche von Planeten gefunden haben."

Es ist zwar noch immer unklar, ob die Aminosäuren-Vielfalt wirklich bereits im interstellaren Raum entstanden ist, bevor die Moleküle in die Mutterkörper der Meteoriten eingebaut wurden. Die Forscher sind aber optimistisch: "Die Entdeckung von iso-Propylcyanid zeigt, dass Aminosäuren tatsächlich im interstellaren Medium vorkommen dürften, da die verzweigte Struktur ein Schlüsselmerkmal für diese Art von Molekülen darstellt", sagt Karl Menten vom Max Planck Institut in Bonn. (red, derStandard.at, 29.9.2014)