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László Andor fordert einheitliche Sozialsysteme.

Foto: apa/epa/Julien Warand

Wien - Obwohl er bald aus seinem jetzigen Job ausscheiden wird: Selber wird László Andor, scheidender EU-Kommissar für Soziales, kein Arbeitslosengeld in Anspruch nehmen müssen. Der Ökonom kam am Montag an die Wirtschaftsuniversität Wien, um das von ihm verfochtene Modell einer Europäischen Arbeitslosenversicherung darzulegen. "Eine Vereinheitlichung würde Volkswirtschaften helfen, die gerade einen Abschwung erfahren. Und der kann früher oder später jeden Staat treffen" , sagte Andor.

Trotz Vertiefung der Währungsunion, etwa durch die gemeinsame Bankenaufsicht, sei die EU in Krisenzeiten zu wenig reaktionsfähig. Bekämpft werden soll mit der unionsweiten Arbeitslosenversicherung dementsprechend nicht die strukturelle Langzeitarbeitslosigkeit, sondern die zyklische Arbeitslosigkeit infolge eines Konjunkturabschwungs. Andors Modell würde dabei nicht die einzelstaatlichen Sicherungssysteme ersetzen, sondern sie ergänzen.

Der Ungar schlägt eine auf sechs Monate begrenzte Unterstützung in Höhe von 40 Prozent des Letztgehalts vor. Das soll jährlich rund ein Prozent der Wirtschaftsleistung der Mitgliedsstaaten ausmachen. Die Nettobeiträge für Einzelstaaten wären zwar wesentlich geringer. Trotzdem würden Länder mit verhältnismäßig niedriger Arbeitslosenquote wie Österreich oder Deutschland zu Nettozahlern werden.

Eine Vergemeinschaftung würde aber auch eine Angleichung der zuständigen Behörden bedeuten. Und genau daran würde ihre Einführung scheitern, befürchten die Arbeitsmarktexperten, die mit Andor diskutierten. Sonja Schneeweiss (SPÖ), Referentin für Wirtschaftspolitik im Bundeskanzleramt, machte deutlich: "Wir sind interessiert an der Diskussion und den Ergebnissen, aber nicht jetzt." Man befürchte eine Abwärtsspirale bei den Sozialstandards. Helmut Mahringer vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) glaubt ebenfalls, dass die Harmonisierung der Sozialsysteme zum jetzigen Zeitpunkt nicht machbar ist. Andor hofft, dass die neue Kommission das Anliegen verfolgt. Seine designierte Nachfolgerin, die belgische Christdemokratin Marianne Thyssen, dürfte jedoch weniger interessiert sein. (smos, DER STANDARD, 30.9.2014)