Puppentheater für junges Publikum: Bei "The House" des Sofie Krog Teater aus Dänemark erzählt ein Haus von den Geschichten, die sich in seinem Inneren zutragen.

Foto: Jakob Eskildsen

Horn - Es ist die Zeit der sogenannten Individualisierung, in der Kinder heute heranwachsen. Mit Selbstdarstellungsplattformen wie Facebook und der eigenen Person als Hauptfotomotiv (vulgo Selfie) sind Kinder mehr denn je mit der eigenen Identität konfrontiert. Wer bin ich? Wer möchte ich sein? Diese Fragen inspirierten das Festivalmotto "Das Mee(h)r in mir" des diesjährigen Szene-Bunte-Wähne-Theaterfestivals. In acht niederösterreichischen Städten findet neun Tage lang internationales Kinder- und Jugendtheater statt.

Ursprünglich vom heutigen Direktor des Dschungel Wien, Stephan Rabl, gegründet, jährt sich das Theaterfestival bereits zum 24. Mal. Nach wie vor wird die zentrale Idee verfolgt, das naturgemäß schwächere Theaterangebot für junges Publikum im ländlichen Raum auszugleichen. So werden im Rahmen von Szene Bunte Wähne 16 ausgewählte Produktionen aus dem Aus- und Inland nach Niederösterreich geholt und unter anderem in Horn, Zwettl und Sankt Pölten zur Aufführung gebracht.

Das Festivalmotto "Das Mee(h)r in mir" soll auf die horizontlose Weite der Fantasie und des eigenen Selbst anspielen. "Wir haben lange darüber sinniert, was Wasser, was Meer für uns bedeutet und sind auf die Frage nach Identitäten und Rollenbildern gekommen. Und daher das 'Meer in mir' , das ja unendliche Möglichkeiten bietet", so Intendantin Yvonne Birghan-van Kruyssen.

Dänemark-Schwerpunkt

In diesem Jahr sind schwerpunktmäßig Produktionen aus Dänemark zu sehen, wo sich eine ansehnliche Kinder- und Jugendtheaterszene etabliert hat. Unter den drei dänischen Produktionen, die für das Festival gewonnen werden konnten, finden sich die Eröffnungsproduktion 2 Männer (Randers EgnsTeater), das Tanzstück Erdmännchen und Siebenschläfer (Aaben Dans) sowie The House, ein Puppentheater vom Sofie Krog Teater.

Die Thrillerkomödie rund um ein Puppenhaus ist aus gutem Grund erst für Jugendliche ab 13 Jahren geeignet - die dänischen Handpuppen haben durchaus Gruselcharakter. In englischer Sprache beginnt ein Haus von den Erbschaftsstreitigkeiten seiner Bewohner zu erzählen, bald folgt ein Mord dem anderen. Die durch Musik (Cuco Pérez) verstärkte Spannung wird aber immer wieder von komödiantischen Elementen gebrochen. So entpuppen sich die beiden klischeehaften, dilettantischen Einbrecher als rechtmäßige Erben, die sich gegen habgierige Erbschleicher behaupten müssen. Das Puppenspiel (Sofie Krog, David Faraco) besticht außerdem durch liebevolle Details des perfekt arrangierten Puppenhauses.

Dass Theater auch schon für die ganz Kleinen möglich ist, beweist die Produktion Ssst! der deutschen Theatermacher Michael Döhnert und Melanie Florschütz. Ganz ohne Sprechtext wird für Kinder ab zwei Jahren eine Sprache vermittelt, die auch für Erwachsene weder gekünstelt noch banal wirkt. So steckt in einem Zungenschnalzen, in starker Mimik und Gestik, gepaart mit großem Rhythmusgefühl, genug Aussagekraft für ein temporeiches Stück Theater.

Das "Ich" auf Facebook

Besonderen Bezug zu aktuellen Phänomenen wie Facebook und Co stellt die niederländische Theatergruppe Het Laagland mit ihrem Klassenzimmertheater Nur für Loser her. Die Produktion thematisiert eindrücklich, wie groß heutzutage der Zwang zur Selbstdarstellung für Kinder und Jugendliche ist. Wie kaum sonst wo, wird in den Social Media eine Antwort auf die Frage nach der eigenen Identität und nach einer Position in der Gesellschaft eingefordert und öffentlich gemacht.

Die Darstellerinnen Kim Berkenhagen und Judith Noyons mimen zwei charakterlich konträr scheinende Mitschülerinnen, die sich dieser Problematik auf unterschiedliche Weise stellen. Während die eine immer fröhlich vor sich hin bloggt, um ihren "friends" ein perfektes Bild von sich selbst zu vermitteln, ist die andere eher zurückhaltend. Immer wieder spielen die beiden mit Schubladisierungen und zeigen, wie schwer es ist, sich Stereotypen auch im Bezug auf die eigene Selbstwahrnehmung zu entziehen.

Bis zum 4. Oktober kann das "Meer" im Waldviertel erkundet werden; unter den restlichen Produktionen finden sich unter anderem Emil und die Detektive (Comedia Köln) und Männer und Maschinen (TaO! - Theater am Ortweinplatz). (Lina Paulitsch, DER STANDARD, 30.9.2014)