Bonn - Der Endpunkt war quasi der Startpunkt. Cadillac hielt die Pressekonferenz zum ATS Coupé in Bonn ab (wegen des Autokennzeichens BN weiland launig "Berlin Nebenstelle" benamst), im Landesmuseum. Dort befindlich: Neandertalergebein - und eines der ältesten Räder der Welt, keltisch. Spannungsbogen: Woher wir kommen, wohin wir fahren. Beethoven, Bonns berühmtester Sohn, hätte auch gepasst, denn die Coupé-Klaviatur beherrscht Cadillac erstaunlich gut.

foto: cadillac

Da schütteln die Amis ein richtig lässiges Coupé aus dem Ärmel, das sich auch noch fein fährt, wie sich auf der Teststrecke nach Bonn herausstellte. Mit amitypisch komfortablem Fahrwerk, das amiuntypisch drastische Seitenneigung verweigert. Mit einer Lenkung, die um die Mittellage vielleicht etwas unentschlossen, indifferent wirkt - das aber an den Vorbildern an Direktheit und Präzision gemessen: BMW 4er Coupé, Audi A5, Mercedes E Coupé. Denen gilt dieser Auftritt zwar auch, doch Europa-PR- und -Marketingchef Vijay Iyer präzisierte: "Jaguar Land Rover, Infiniti und Lexus sind eher das Ziel. Wir sind ja nicht verrückt, zu glauben, in die Phalanx Mercedes-Audi-BMW einbrechen zu können."

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Das Coupé steht auf der neuen Hinterradantriebsplattform, Allrad gibt es auch. Dazu einen Motor (2,0-Liter-Turbo, 276 PS), ein Getriebe (6-Gang-Automatik). Abgesehen davon, dass die Maschine sonorer klingen könnte, ist sie eine gute Wahl. Erlaubt auch sportlichen Fahrstil. Auch die Automatik geht grundsätzlich in Ordnung. Es gibt aber Momente, da nervt die Gedenksekunde zwischen Gasbefehl und Umsetzung.

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Hoher Aufwand wurde beim Leichtbau betrieben. Dies, beachtliche Verwindungssteifigkeit, ideale Achslastverteilung (50:50) und der Umstand, dass das Fahrwerk 20 mm tiefer liegt als bei der Limo, erklärt das eingangs erwähnte Fahrgefühl - der Flunder-CTS fährt sich so flott, wie er aussieht.

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Design. Markenzeichen ist die scharfe Kante. Erstmals trägt das Coupé das neue Markengesicht, speziell diesen enorm in die Breite gedehnten Cadillac-Schild. Der ist auch was für Heraldiker, die sogleich herleiten könnten, dass es sich hier um das namensgebende Familienwappen von Antoine de la Mothe Cadillac handelt. Hinten findet sich eine ganz leise Andeutung an die gute alte Heckflosse, als Gedächtnisbrücke zur zeitweise glorreichen Coupétradition.

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Geduckt und gestreckt wirkt der Wagen, angenehm andersartig im Straßenbild. Die Kehrseite sieht man am Innenraum. Die Sitze hinten sind ideal für Kinder. Nicht für Erwachsene. Die pumpern ständig oben an. Und die unten an den Vordersitzen fixierten Gurten verkomplizieren das Einsteigen nach hinten. Eingefädelt, disqualifiziert. Vorne hingegen sitzt es sich prächtig, vom unseligen Ami-Billigplastik keine Rede mehr. Wirkt alles recht hochwertig, manches (Hölzer etwa) sogar richtig edel.

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Sonst noch was? Viele Assistenzsysteme, die bei der Konkurrenz auch zu finden sind, manches zielt bereits in Richtung teilautonomes Fahren, ein erster dieses könnender Cadillac ist für 2017 avisiert. Doch das ist ein anderes Kapitel. Wir spielen Beethoven, Mondscheinsonate und dann die Neunte, ATS-Soundsystem testen. Berlin Nebenstelle, over und out. (Andreas Stockinger, DER STANDARD, 26.9.2014)

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Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Die Teilnahme an internationalen Fahrzeug- und Technikpräsentationen erfolgt großteils auf Basis von Einladungen seitens der Automobilimporteure oder Hersteller. Diese stellen auch die hier zur Besprechung kommenden Testfahrzeuge zur Verfügung.

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