Wie fühlt es sich eigentlich an, trans* zu sein? Eine allgemein gültige Antwort darauf gibt es klarerweise nicht – eine scheinbar recht gültige und gängige Vorstellung darüber hingegen schon. Laut dieser haben Trans*Personen nämlich das Gefühl, im "falschen" Körper geboren zu sein. Deshalb streben so viele von ihnen ja medizinische Maßnahmen zur Veränderung des Körpers an und nehmen dabei zum Teil hohe Risiken auf sich. Offenbar muss es nämlich ein viel schrecklicheres Gefühl sein, sich im eigenen Körper "gefangen" zu fühlen.

Für einige Trans*Personen stimmt diese Vorstellung. Auf einem anderen Blog habe ich etwa vor kurzem folgenden Eintrag eines Trans*Typen gelesen: "Manche Männer werden in ihren richtigen Körpern geboren. Andere müssen erst dafür kämpfen." Mir gefällt der Spruch zwar – allerdings suggeriert er auch etwas, dem ich persönlich nicht zustimme. Denn nicht für alle Trans*Menschen liegt das Problem an ihrem Körper. Nicht alle empfinden diesen als "falsch". Manche fühlen sich darin gar nicht gefangen – sondern lediglich darin, wie dieser wahrgenommen wird.

Keine Frage von Schuld oder Absicht

Aber bevor gleich wieder die Abwehrreaktionen à la "Was kann denn bitte schön ich dafür, wie ich jemanden wahrnehme?" einsetzen: Hier wird niemandem ein Vorwurf gemacht. Unsere geschlechtliche Wahrnehmung von Körpern ist schließlich etwas, das wir alle von klein auf tun und somit verinnerlicht haben. Schon als Kinder lernen wir ja, Menschen in Formen zu pressen. "So sieht ein Mann aus" und "so sieht eine Frau aus".

Abweichungen von diesen und auch anderen kulturell bedingten Normen werden unsichtbar gemacht und abgetan als "Fehler der Natur", die eigentlich nicht auf deren Programm stehen. Als könnten wir "die Natur" interpretieren. Als handle es sich bei ihr um eine personifizierte Gestalt mit einer eindeutigen Absicht, die sie uns ganz klar vermittelt und zu der sie uns sagt: "Also, laut meinem Plan solltet ihr ja alle genau so oder so aussehen, aber Shit happens."

In einer Gesellschaft, der solche Vorstellungen zugrunde liegen, wird der "Fehler" also bald am geschlechtlich interpretierten Körper jener Person festgemacht, die sich in dem ihr zugewiesenen Geschlecht nicht wohlfühlt. Nicht jedoch an der automatischen Wahrnehmung oder der Lesart, mittels derer wir, wenn auch völlig unbeabsichtigt, den bloßen Körper erst als "männlich" oder "weiblich" interpretieren.

Foto: Mike

Eigentlich eine epistemologische Fragestellung

Für manche Trans*Personen liegt das Problem jedoch genau an dieser spezifischen geschlechtlichen Wahrnehmung und nicht an ihrem an sich geschlechtslosen Gegenstand. Immerhin ist "Geschlecht" ein Konzept, das von Menschen entwickelt wurde, und somit kann keinem Gegenstand oder Körper per se "Geschlechtlichkeit" zukommen. Wir nehmen schließlich nie Dinge an sich wahr – immer nur von uns interpretierte, also durch Formen gesehene Objekte. Seien dies die berühmten Kantischen Anschauungsformen oder Kategorien, durch unsere individuellen Erfahrungen entstandene Vorurteile oder eben die gesellschaftlich sehr stark verankerten Konstrukte "Frau" und "Mann".

Aber auch wenn manche von ihnen das eigentliche Problem nicht am Objekt, sondern an dessen Wahrnehmung festmachen, sind auch Trans*Personen nicht vor derselben gefeit – selbst wenn es um den eigenen Körper geht. Manche von ihnen würden demnach sagen: "Mein Körper an sich ist zwar überhaupt nicht falsch. Aber das, als was er in dieser Gesellschaft und Zeit gesehen wird und demnach gilt, fühlt sich sehr wohl falsch an. Nicht in meinem Körper, sondern darin, wie mein Körper von anderen (und mir) gesehen wird, fühl ich mich gefangen."

In einer anderen Gesellschaft und Zeit bestünde demnach vielleicht gar kein Bedarf an dessen physischer Veränderung. Aber offenbar führen die derzeitigen Umstände auch nicht gerade zu einem guten Gefühl, was den Körper angeht – wenn auch in einer völlig anderen Hinsicht. Denn auch viele Trans*Personen, die das eigentliche Problem gar nicht an ihrem Körper festmachen, verändern diesen dennoch. Weil es nun mal leichter ist, als Frau oder Mann zu gelten, wenn der Körper auch in diese Wahrnehmung passt. Und weil es sich falsch genug anfühlt, als etwas zu gelten, was mensch nicht ist.

Im Übrigen würde ich persönlich eine vermutlich eher unerwartete Antwort auf die Frage geben, wie es sich für mich anfühlt, trans* zu sein. Müsst ich's in einem Wort ausdrücken, wäre dieses nämlich: awesome. Es fühlt sich tatsächlich verdammt gut an, und die damit einhergehenden Unannehmlichkeiten, über die ich hier öfter schreibe, nehm ich gern in Kauf. Trans*Sein an sich ist für mich etwas sehr Positives und Befreiendes. Aber darüber dann ein anderes Mal mehr. (Mike, dieStandard.at, 29.9.2014)