Bei den Dreharbeiten zu Ulrich Seidls Film "Im Keller".

Foto: ORF/Navigator Film

Manche Missverständnisse haben mehrere Leben. Im Fall des Filmemachers Ulrich Seidl handelt es sich um die Auffassung, er würde seine Protagonisten ausstellen, ausbeuten oder gar unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in seine Bildtableaux einfügen. Das bewies erst jüngst wieder die Aufregung um das szenische Saufgelage vor NS-Devotionalien in "Im Keller", seinem neuen Film.

Die Dokumentation "Ulrich Seidl und die bösen Buben" (Montag, 23.10 Uhr auf ORF 2) kommt gerade recht, um Seidls Arbeitsverständnis zu erhellen. Sie gibt Gelegenheit, dem Regisseur beim Im Keller-Dreh sowie bei Proben zum Theaterstück Böse Buben / Fiese Männer (2013) über die Schulter zu schauen. Die inkriminierte Szene kommt zwar nicht vor, dafür aber der Großwildjäger, den Seidl nicht lange zu seinem Jägerlatein animieren muss. Auch eine Frau quetscht ihre Leibesfülle, ohne zu zögern, in einen Minikäfig. Constantin Wulff hat für seine Doku einige pointierte, vielsagende Momente eingefangen: jenen, in dem Seidl im Rhythmus der Peitschenhiebe vor der Kamera die Lider schwer werden; oder wenn er voller Ruhe Disziplin einfordert: "nicht lustig."

In Interviewpassagen erläutert Seidl die gedanklichen Voraussetzungen, die Abgründe in den Menschen, die er ausleuchten will - und damit meint er auch die eigenen. Dass er seinen Laiendarstellern mit Aufrichtigkeit begegnet, wird in der Passage über "Busenfreund" René Rupnik deutlich, über den Seidl durchaus bewundernd spricht. Schön auch, wie klar er sein dokumentarisches Ethos anführt, sich vom Material überraschen zu lassen: "Ich möchte damit leben."

Guter Stoff, um sich Seidls Werk gelassener anzunähern. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 29.9.2014)