In ihrem Steuerkonzept wollen ÖGB und Arbeiterkammer von den derzeit drei Steuertarifen in der Einkommenssteuer auf sechs übergehen. Der ÖAAB sieht überhaupt einen gleitenden Anstieg des Grenzsteuersatzes vor.

Damit soll, so der Gedanke, das Steuersystem gerechter werden, der Schock von höheren Steuersätzen bei einer Gehaltserhöhung geringer und damit auch der Kalten Progression – der schleichenden Steuererhöhung durch Inflation - entgegengewirkt werden.

Auch wenn sich die Koalition in Schladming noch nicht auf ein eigenes Konzept für die Steuerreform geeinigt hat, so klingt es in den Medien ganz danach, als ob sich dieser Grundgedanke langsam festsetzt: Mehr Steuertarife sind besser als wenige.

Kleine oder große Stufen - kein Unterschied

Das ist allerdings ein Fehlschluss. Ob man mit kleinen oder großen Stufen die Tarifleiter hinaufmarschiert, macht für die meisten Menschen keinen Unterschied.

Das liegt an der Natur eines progressiven Steuersystems: Der höchste anwendbare Steuersatz ist immer ein Grenzsteuersatz und gilt für die letztverdienten Euro bzw. die über einer bestimmten Einkommensschwelle. Wer in eine höhere Steuerstufe hineinrutscht, merkt es deshalb anfangs kaum. Den oft zitierten "Progressionsschock" gibt es im Normalfall nicht.

Man könnte daher auch von den derzeit drei Steuerklassen (36,5, 43,2 und 50 Prozent) auf zwei hinuntergehen (etwa 40 und 50 Prozent), ohne das das System unfairer wärer. Die Steuerpflicht würde dann etwas später als derzeit (bei 11.000 Euro im Jahr) beginnen, wäre aber für die ersten Euro höher.

Nur die Flat Tax ist unfairer

Bloß eine Flat Tax, also ein einziger Steuertarif, reduziert den Progressionseffekt und entlastet daher die Spitzenverdiener.

Eine Einführung von mehr Steuersätzen trägt nichts zu mehr Fairness bei und nützt schon gar nichts gegen die Kalte Progression. Die lässt sich nur durch regelmäßige Anpassung der Schwellenwerte beim Einkommen an die Geldentwertung bekämpfen.

Aber ein System mit weniger Steuerklassen ist übersichtlicher als eines mit vielen. Das ist kein wesentlicher Vorteil, aber angesichts fehlender Nachteile doch ein Grund, bei den jetzigen drei Steuerklassen zu bleiben und bloß die Sätze und Schwellenwerte anzupassen. (Eric Frey, derStandard.at, 28.9.2014)