Der Frieden im Konzernvorstand ist dahin: Jimmy (Samouil Stoyanov) und Catherine (Verena Lercher) im Liebes- und Machtkampf.

Foto: Lupi Spuma

Graz - Dennis Kellys Stück Die Götter weinen - 2010 von der Royal Shakespeare Company uraufgeführt - handelt von der brutalen Läuterung eines Konzernchefs. Colm (Udo Samel), so dessen Name, hat in gnadenlosen Schritten einen weltumspannenden Nahrungsmittelgiganten aufgebaut, dessen Leitung er nun überraschend zweien seiner Mitarbeiter übergibt. Sohn Jimmy (Samouil Stoyanov), ein schwaches, ungeliebtes Kind mit Unglücksbauch und lächerlichem Haarzopf, wird dadurch endgültig entmachtet.

Dabei meint es Papa nur gut. Denn Colm sieht nicht nur das Ende des wirtschaftlichen Wachstums gekommen, er hat infolge eines Traums auch eine Kehrtwende im Sinn, will die harten Bandagen ablegen, mit welchen in seiner Position üblicherweise gekämpft werden muss.

Das geht natürlich schief. So wie auch Shakespeares König Lear, an den der britische Dramatiker Kelly seine Machtbesessenheitstragödie angelehnt hat, am Ende alles verliert. Konzerne sind die neuen Königreiche, die Vorstandsetagen der neue Hofstaat. Und die Tragweite ihres Handelns zieht mit dem Schicksalsausmaß antiker Tragödien gleich.

In der österreichischen Erstaufführung von Die Götter weinen, mit der Intendantin Anna Badora (Regie) am Donnerstag ihre letzte Spielzeit am Schauspielhaus Graz eröffnet hat (sie wechselt ab 2015/16 an das Wiener Volkstheater), blickt man auf eine durch und durch anthrazitfarbige Managerwelt (Bühne: Raimund Orfeo Voigt), die um einen James Bond-großen Konferenztisch nur hartgesottene Typen versammelt: Sprechkrieger in Businessanzügen (Kostüme: Julia Kornacka), die ihre Gleichförmigkeit und Bombenenergie zwischendurch immer wieder mit formalisierten Kampfübungen untermauern (Choreografie: Salome Schneebeli).

Rebellen in Belize

Um die Hälfte gestrafft wurde das von John Birke ins Deutsche übersetzte Stück, das sich entlang seiner großspurigen Schachzüge der CEO-Welt (Wie kriegen wir die Rebellenhochburg in Belize versichert?) eher wie das Drehbuch zu einem US-amerikanischen Actionfilm liest. Die Herausforderungen an die Regie sind da groß, in diesem Fall zu groß.

Vor allem entscheidet sich Anna Badora im brenzligen zweiten Akt, der den Machtkampf der neuen Doppelchefs (Verena Lercher und Marco Albrecht) als realen Milizen-Krieg darstellt, für hypertrophes Actiongebaren in Cobra-Anzügen und ärmlich stimulierter Spannung (Bildschirmflimmern, Headset-Gestöhne etc.). Mit Papierschnitzel und Sesselgebirge spielen die Businessmenschen hier Bagdad. Eine aus dem Hals aufspritzende Blutfontäne wirkt da unfreiwillig komisch.

Physische Brutalität

Ironie aber hatte Anna Badora keineswegs im Sinn. Es ging ihr sichtlich um die Darstellung jener physischen Brutalität, um den finalen, nackten Überlebenskampf, der üblicherweise irgendwo in den Headquarters der Weltwirtschaft seinen Ausgang nimmt ("Hauptquartier" ist ja auch ein Kriegsterminus). Diesem Ansinnen gebührt Respekt, es hat sich allerdings nicht eingelöst.

Was wurde aus Colm? Der alte Konzernboss streift im dritten Akt wie Lear verwahrlost über die Heide, durch die Trümmer des von seinen Nachfolgern entfachten Krieges. Er sucht Absolution, folgt jener Frau (Katharina Klar), deren Familie er einst im blinden Konkurrenzkampf zerstört hat.

Udo Samel und Katharina Klar wischen hier jeden dem Stück innewohnenden Kitschverdacht beiseite (der Konzernchef entdeckt die Freuden des einfachen Campinglebens, pflückt Brennnesseln, sammelt Muscheln). - Zwei großartige Schauspieler, die mit dem Abend ein wenig versöhnen. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD, 27.9.2014)