Auf den Spuren von "Hans im Glück" arbeiteten Hubert Ebenberger und Esther Strauß mit Zivilisationssplittern und Naturbruchstücken.

Foto: Hubert Ebenberger / Esther Strauß

Wien - Seit der Mensch denken kann, denkt er zu viel, sagen manche, und geben Ratschläge, wie man "im Augenblick" leben könne: unbelastet von Erinnerungen und Erwartungen. Allein: Devisen à la "Carpe diem" sind leichter ausgesprochen als umgesetzt. Und so ist es eigentlich kein Wunder, dass es ausgerechnet eine Märchenfigur ist, der das "Leben im Jetzt" besonders gut gelingt.

Hans im Glück hätte ausgesorgt gehabt mit seinem riesigen Goldklumpen. Dann "verwandelte" er diesen aber im Zuge diverser Tauschhandel in einen Stein. Profitmaximierer greifen sich da naturgemäß aufs Hirn. Für andere ist Hans dagegen ein Held, bleibt er doch über sämtliche "Wertminderungen" hinweg der glücklichste Mensch der Welt. Sympathisanten findet Hans von jeher in der Kunst, sind Intuition, Spontaneität oder Nichtwollen doch wichtige Zutaten gesellschaftlicher Gegenentwürfe - gerade in einer von Berechnung und Kapitalismus durchdrungenen Zeit.

Diesem Verhältnis trägt derzeit eine Ausstellung im Kunstraum Niederösterreich Rechnung, wo unter dem Titel Hans im Glück 13 Reflexionen versammelt sind. Die ausgestellten Objekte, Fotos oder Videos sind dabei allerdings vor allem Relikte, Ergebnisse von Prozessen.

Der schöne Witz an der Schau ist nämlich: Beim Kick-off Mitte September war der Kunstraum leer, lediglich 13 Plakate kündeten vom Kommenden. Die Künstler brachen da gerade erst auf, um von verschiedenen Punkten Niederösterreichs ausgehend den Weg der Märchenfigur nachzuempfinden. Sie zogen durchs Land, hinterließen Kunst, tauschten oder dokumentierten Begegnungen.

Stephanie Mold und Georg Klüver-Pfandtner etwa tourten mit einer schweinchenrosa Plüschrutsche von Maissau bis Wien. Die Künstlerboygroup Gelatin ließ im Stille-Post-Prinzip ein auf den Rücken gezeichnetes Bild von der "Wachauer Nase" bis in den Kunstraum überliefern. Zu bestimmten Terminen konnte man bei der nomadischen Kunstproduktion dabeisein.

Michail Michailov konnte man nur "durch glücklichen Zufall" begegnen, wie es im Programm heißt: Der Künstler ging von Mariazell nach Wien, kehrte also den Wallfahrtsweg um. Dabei tauschte er die Wegweiser der "Via Sacra" durch weiße Pfeile aus, die er beliebig verdrehte: um zu zeigen, dass man fürs Glück "nicht immer ein Ziel braucht". Im Kunstraum legte er Pfeile Richtung Glück kreisförmig auf.

Auf dem dazugehörigen Video sieht man Michailov im weißen Schutzanzug neben den Wegweisern stehen: In einer regungslosen Haltung, die aussieht, als wolle er sich unsichtbar machen. Eine Interpretation für diese mystische Haltung, sein Markenzeichen, möchte er allerdings nicht geben. Auch hier lässt er sich lieber auf das ein, was kommt. (Roman Gerold, DER STANDARD, 26.9.2014)