Die Vorarlberger haben mit ihrer Vorzugsstimmen Listen durcheinandergewirbelt.

Illustration: Fatih Aydogdu

Bregenz/Wien - Christian Gantner, VP-Bürgermeister von Dalaas, hat leicht lachen. Der Klostertaler hat sich einen Landtagssitz erkämpft. Wochenlang befand er sich im Landtagswahlkampf mit seinem Werbeträger, einem großen "G" aus Sperrholz, unterwegs. "Ich G wählen" stand da drauf.

Das große "G" warb im Dorf und im Facebook um Wahlbeteiligung und Vorzugsstimmen für den jungen Bürgermeister und für Landeshauptmann Markus Wallner. Gantners Motiv: Bei der Nationalratswahl hatte sein Cousin Matthias Strolz mit den Neos in Dalaas 40 Prozent abgeräumt.

Gantner war erfolgreich. Mit 3271 Vorzugsstimmen überholte der 34-Jährige locker einen Altgedienten seiner Partei, Landtagsvizepräsident Peter Ritter. Der 62-jährige pensionierte Polizist darf nun seinen Ruhestand genießen.

Ähnlich ging es dem Präsidenten der Landwirtschaftskammer Josef Moosbrugger. Er wurde vom 36-jährigen Daniel Steinhofer aus Lustenau überholt. Bei der FPÖ nutzte Quereinsteiger Christoph Waibel den Promibonus. Der frühere TV-Moderator sammelte 4631 Vorzugsstimmen. Nun muss Landtagsvizepräsident Ernst Hagen um sein Mandat bangen.

Neues Wahlmodell

Das gilt als bestandene Bewährungsprobe für das neue Vorarlberger Vorzugsstimmenrecht: Wählerinnen und Wähler können die Listen umgestalten. So funktioniert es: Hatte man früher drei Vorzugsstimmen zu vergeben, sind es nun fünf. Maximal zwei für eine Person. Waren bei der Errechnung der Wahlpunkte die Listenpunkte, abhängig von der Reihung auf der Liste, maßgeblich, sind es nun die Vorzugspunkte. Pro Stimme gibt es 32 Punkte. Die Listenpunkte hängen von der Mandatszahl im Bezirk ab. Für die entscheidenden Wahlpunkte werden beide Kategorien addiert.

Das neue Wahlmodell könnte Schule machen, in anderen Bundesländern wird es mit Interesse beobachtet. Besonders die ÖVP - die seit den 1970er-Jahren an Vorwahl- und Vorzugsstimmenmodellen gebastelt hat - setzt sich für eine stärkere Personalisierung des Wahlrechts ein. Dabei ist die SPÖ (mit dem erfolgreichen Vorzugsstimmenwahlkampf für Josef Cap bei der Nationalratswahl 1983) wesentlich stärker mit dem Thema in Erinnerung.

Lukas Mandl, ÖVP-Abgeordneter in Niederösterreich, ist einer der Vorkämpfer für ein radikal personalisiertes Wahlrecht: "Die Menschen wollen Menschen wählen und nicht Listen, die eine noch so gut meinende Partei hinter verschlossenen Türen beschließt. Die Partei hat ihre Bedeutung als Sinngemeinschaft, die die Nominierung vornimmt - die Reihung sollte sie dem Wähler überlassen."

Listenplatz verteidigen

Dass das durchaus riskant sein kann, hat Mandl bei der Landtagswahl im Vorjahr hautnah erlebt: In Niederösterreich erhält der bestgereihte Kandidat das Mandat - er selbst musste 4201 Vorzugsstimmen sammeln, um seinen ersten Listenplatz im Bezirk zu verteidigen, sein nächstgereihter Herausforderer kam auf 700 Stimmen an ihn heran. Das Prinzip der Vorzugsstimmen verteidigt er mit Leidenschaft: "Keine Vorzugsstimme zu vergeben heißt, die Wahl der anderen zu akzeptieren - so wie ein Nichtwähler die Wahl akzeptieren muss, die andere treffen."

Die derzeit auf Bundesebene geltende Regelung habe allerdings aus verfassungsrechtlicher Sicht Schwächen: Bei kleinen Parteien reicht bereits eine geringe Zahl von Stimmen einer gut organisierten Wählergruppe, um die Liste umzudrehen - 2004 verdrängte auf diese Weise Andreas Mölzer den gemäßigten Freiheitlichen Hans Kronberger aus dem EU-Parlament. (Jutta Berger, Conrad Seidl, DER STANDARD, 25.9.2014)