Auch wenn Jäger regelmäßig den Kopf schütteln: Der Österreicher isst sein Wild, wenn überhaupt, eben eher im Herbst. Dass die Jagdsaison schon seit April geht, dass Reh extrem fettarm (also leicht und bekömmlich) ist und deshalb mindestens so gut in den Frühling wie in den Herbst passt – geschenkt. Gelernte Muster werden oft als Tradition missverstanden, und in Kombination mit altmodischen Wurzelrahmsaucen, Knödeln und gut klebriger Preiselbeermarmelade (aber bitte im Dekopfirsich serviert!) wird selbst dieses zarte Fleisch mit Gusto seiner Leichtigkeit beraubt.

Wer es dazu noch unbarmherzig durchbrät – womöglich nach vorheriger Vergewaltigung in einem Beize genannten Säurebad – der sorgt endgültig dafür, dass der Ruf dieses vielleicht feinsten Fleisches von überhaupt ausgerechnet in Österreich noch immer unterm Hund ist.

Exportstopp herbei essen!

Das führt nämlich dazu, dass unser Wild, von dem wir dank der vielen Wälder mehr als reichlich haben, zum Großteil nach Frankreich und in die Schweiz exportiert wird, wo es zu abartig hohen Preisen (nämlich noch viel höheren, als die Apothekerpreise unserer Wildbrethändler) an verständige Gourmets geht.

Weil dieser Zustand unserer Nation von Phäaken unwürdig ist, ist es höchste Zeit für ein paar Tipps, wie Reh nicht bloß erschwinglich, sondern auch in der Küche so behandelt wird, dass es garantiert jedem schmeckt, der sich eine Ahnung von kulinarischer Offenheit bewahren konnte. Am Wichtigsten ist einmal die Beschaffung. Wer einen Jäger kennt, hat schon gewonnen: Das Kilo Reh geht im Ganzen um schlappe vier Euro über die Budel, da ist das Zerwirken allerdings noch nicht eingepreist.

Dennoch: Um gute acht Euro pro Kilo sollte jeder Jäger froh sein, einem Bekannten ein ganzes Reh, in seine Teile zerlegt, überlassen zu können – bei der Sammelstelle bekommt er schließlich deutlich weniger. Dafür braucht man allerdings einen nicht zu voll geräumten Tiefkühler – gute 15 Kilo Fleisch muss man schon unterbringen können. Dann freilich ist man für die dräuenden Festtage aufs Beste gerüstet – und den einen oder anderen Luxusbraten wird man aber auch gleich in die Röhre schieben wollen.

Alternativ kann man sich an einen der zahlreichen Wild-Direktvermarkter wenden, die auf untenstehender Webseite vermerkt sind – da lassen sich auch Rücken oder Keule einzeln erstehen, und zwar ebenfalls um Eckhäuser günstiger als beim Wildbrethändler.

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Wer einen Jäger kennt, hat schon gewonnen.
Foto: apa/dpa

Scharf anbraten, dann ab in die Röhre

Jetzt aber zur Zubereitung: Selbst ausgewachsene Rehe, deren Keulen schnell einmal drei Kilo auf die Waage bringen, verfügen über außerordentlich zartes Fleisch. Okay, Schulter und Hals sind klassisches Ragout-, Curry- oder Burger-Material. Keulen und Rücken aber sollten ausschließlich medium bis rare gebraten werden, alles andere wäre Vergeudung.

Wer die Keule in seine Einzelteile, also Schale und Nüsschen, zerlegt und in Stücke von nicht mehr als zehn bis zwölf Zentimeter Dicke teilt, hat den Vorteil, binnen weniger Minuten ein Festmahl bereiten zu können: Scharf anbraten ist die Devise, und danach für ein paar Minuten (mehr oder weniger zehn) ins 180 Grad heiße Rohr, bis das Fleisch sich bei der Druckprobe ähnlich elastisch anfühlt, wie der Daumenballen einer entspannt geöffneten Hand.

Danach gut zehn Minuten rasten lassen. Dazu passt Salsa verde aus gehackter Petersilie, Schnittlauch, Estragon oder Liebstöckl mit ordentlich Sardellen und Kapern sowie etwas Chili.

Zwetschke schmeckt dem Reh

Jetzt, wo die Zwetschken reif sind, empfiehlt sich aber auch eine fruchtige Variante: Ein Kilo Zwetschken entsteinen, mit zwei großen, in 16tel geschnittenen roten Zwiebeln, ein paar Thymianzweigen und Lorbeerblättern in eine ofenfeste Form geben, mit Olivenöl vermengen und bei 180 Grad für eine gute halbe Stunde im Backrohr schmurgeln und einkochen lassen. Mit Sojasauce würzen, mit Pfeffer abschmecken – fertig ist eine durch und durch herbstliche Kombination. Ein paar breite Bohnen dazu (werden auch gerade reif), oder ganz simpel im eh schon heißen Rohr hergeknusperten Karfiol für ein paar bittere Noten – fertig ist ein grandioses Mahl zum Diskontpreis. Dazu darf man sich als Ausgleich aber den besten Roten aufreißen, den das Börsel verkraften kann – das zarte Tier wird es Ihnen danken! (Severin Corti, derStandard.at, 24.9.2014)