Im August haben die USA, mit Zustimmung und Kooperation der irakischen Regierung, mit Luftschlägen den "Islamischen Staat" (IS) im Irak angegriffen: einem Land, für dessen Zustand sie nach ihrer Intervention 2003 zumindest mitverantwortlich sind und mit dem ein "Strategisches Rahmenabkommen", inklusive Kapitel über militärische Zusammenarbeit, besteht.

In Syrien liegt die Sache ganz anders: Hier greifen die USA nicht ein, um einer Regierung die Kontrolle über Terrain und Grenzen wiederzubeschaffen. Sie begeben sich ohne Anbindung auf dem Boden und ohne jede formelle Legitimation in den Sumpf eines vielschichtigen Bürgerkriegs. Das ist genau das, was US-Präsident Barack Obama nie wollte, aber jetzt für nötig hält, um die Konsolidierung des "Islamischen Staats" in der Region zu verhindern. Aber auch wenn das Eingreifen in Syrien unter dem gleichen Titel wie jenes im Irak läuft: Es ist ein völlig neues Abenteuer mit ungewissem Ausgang - ein neuer, großer Krieg auf offenem Territorium ohne Zeitplan - und völliger Ahnungslosigkeit, was die Folgen betrifft.

Damaskus versuchte am Dienstag, sich der Frage, ob es - wie angedroht - auf einen US-Angriff aus seinem Territorium reagieren muss, zu entledigen, indem es behauptete, vorab informiert worden zu sein. Die USA dementieren das. Aber sie müssen in Kauf nehmen, dass das Assad-Regime zumindest kurzfristig profitiert. Die - ohnehin nur kleine - syrische Oppositionsstreitmacht, die die USA in Saudi-Arabien ausbilden wollen, steht nicht bereit, um ein eventuelles Vakuum zu füllen, wobei die IS aber ohnehin nicht so schnell zu besiegen ist, wie man anhand des Irak sieht.

Die Konturen der arabischen Allianz, die Washington für seine Anti-IS-Kampagne um sich gesammelt hat, sind noch sehr verschwommen, die Interessen der Beteiligten sehr unterschiedlich. Aus den fünf Ländern, die die USA für das Eingreifen in Syrien gewonnen haben - Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Bahrain, Katar, Jordanien - sticht Letzteres hervor. Während die arabischen Golfstaaten von Stunde eins des Aufstands in Syrien an den Sturz Bashar al-Assads betrieben haben, so übte sich das haschemitische Königreich bisher in einem kunstvollen Spagat: zwischen seiner US-Nähe und den erst in den vergangenen Jahren wieder sehr engen Beziehungen zu Saudi-Arabien einerseits und dem Versuch andererseits, eine offene Konfrontation in Damaskus zu vermeiden.

Nun wird Jordanien, das sich mit Luftschlägen beteiligt, das nächste Kunststück abverlangt: Bei allem Interesse daran, dass die IS so geschwächt wird, dass sie sich nicht Jordanien zuwenden kann, muss sich König Abdullah auch mit einer möglichen Gegenreaktion im eigenen Land auseinandersetzen. Die Anti-IS-Allianz wird von nicht wenigen Menschen in der Region als antisunnitisches amerikanisches Projekt wahrgenommen, das den iranischen Hegemonieplänen nützt. Wenn die meisten Araber den "Islamischen Staat" fürchten und ablehnen, heißt das nicht, dass sie der Anti-IS-Allianz zujubeln.

Daran wird auch nicht viel ändern, dass der große Iran-Konkurrent Saudi-Arabien dabei ist. Die arabischen Golfstaaten haben selbst ein Glaubwürdigkeitsproblem: Von den einen werden sie beschuldigt, selbst die Brutstätte der IS-Ideologie zu sein, von den anderen, ihre Seele an den Westen verkauft zu haben. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 24.9.2014)