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Tony Martin gibt sich zumeist am wenigsten Zeit.

Foto: ap/dejong

Ponferrada/Wien - Zum vierten Mal en suite Weltmeister, das hat im Radsport noch keine Straße gesehen. Schon gar nicht im unberechenbaren Straßenrennen, aber auch im Einzelzeitfahren ist das noch niemandem gelungen. Der Schweizer Fabian Cancellara hat 2008 quasi unwissentlich auf die Unsterblichkeit verzichtet.

Nach dem Olympiasieg in Peking hatte Cancellara, der zuvor zweimal infolge Weltmeister gewesen war, auf seinen Start bei den Titelkämpfen in Varese verzichtet - aus Kraft- und Motivationsmangel. Der Deutsche Bert Grabsch holte damals Gold. In den folgenden beiden Jahren mangelte es Cancellara weder an der Kraft noch an der Motivation, um zwei weitere Goldene im Zeitfahren zu gewinnen - vier Titel also, aber eben nicht en suite.

Dieses Kunststück könnte am Mittwoch Tony Martin gelingen. Der Cottbuser ist nach dem Weltmeisterschaftshattrick für das Rennen über 47,1 Kilometer in und um das spanische Ponferrada herum derart hoch favorisiert, dass dem 33-jährigen Berner Cancellara, dem man eventuell noch einen fünften Titel zugetraut hätte, erneut die Motivation abhanden kam.

Gold ist nie fad

Martin, der sechs lange Zeitfahren in Folge gewonnen hat, fürchtet natürlich keinen Gegner. Wenn er es täte, müsste der 29-Jährige aber nur Bradley Wiggings fürchten, den Briten, der ihm 2012 in London bei den Olympischen Spielen die letzte schwere Niederlage beigebracht hatte. Dass Cancellara schon im Vorfeld das Handtuch geworfen hat, sah Martin als "irgendwo ein Kompliment für mich, aber es macht das Rennen natürlich nicht spannender".

Natürlich kann es nie fad sein, Weltmeister zu werden. Deshalb hat sich Martin am Sonntag auch darüber geärgert, dass es mit der Truppe von Quick Step nicht zum dritten Gold im Teamzeitfahren, ja sogar nur zu Bronze gereicht hat. Umso bitterer könnte die Einzelprüfung für die Konkurrenz werden: "Ich werde nie müde, mich zu motivieren, ich will die Goldmedaille," sagt Martin.

Dagegen kann niemand etwas sagen, schon gar nicht die Österreicher Matthias Brändle und Ricardo Zoidl, die ebenfalls in Ponferrada von der Startrampe rollen werden. Der Vorarlberger Brändle hat seine Saisonhöhepunkte mit zwei Etappensiegen bei der Tour of Britain natürlich schon hinter sich, hofft aber auf einen Platz unter den Top 15. Im Vorjahr und in der Toskana war er 37. gewesen. "Einen Riesensprung kann man nicht machen", sagt der 24-jährige Staatsmeister, dessen Vertrag vom Schweizer Team IMG mit Freuden verlängert wurde.

Ebenfalls ein weiteres Jahr wünscht Trek die Dienste von Zoidl, der im Vorjahr im WM-Einzelzeitfahren als 14. brilliert und die bisher beste einschlägige Leistung eines Österreichers gezeigt hatte. Heuer ist dem 26-Jährigen Ähnliches eher nicht zuzutrauen.

ORF Sport Plus, das direkt überträgt, ist übrigens eine hohe Quote zuzutrauen. Von den deutschen Öffentlichrechtlichen und von Eurosport haben der Radweltverband und dessen Rechtepartner offensichtlich zu viel Geld für die Übertragung verlangt.

Landsfrau Brennauer legt vor

Die Frauen waren schon am Dienstag unterwegs, Österreichs Meisterin Martina Ritter kam auf Platz 30. Sie verlor an ihrem 32. Geburtstag über 29,5 Kilometer knapp vier Minuten auf Weltmeisterin Lisa Brennauer aus Deutschland. Jacqueline Hahn fuhr weitere 40 Sekunden dahinter auf Rang 38.

Brennauer, die bereits im Teamzeitfahren mit dem niederländischen Rennstall Specialized Gold geholt hatte, triumphierte in 38:48 Minuten vor der Ukrainerin Anna Solowej und der US-Amerikanerin Evelyn Stevens. Titelverteidigerin Ellen van Dijk aus den Niederlanden kam nicht über Rang sieben hinaus. (sid, lü - DER STANDARD, 24.9. 2014)

Ergebnisse Rad-WM in Ponferrada/Spanien - Einzelzeitfahren Frauen (29,5 km):

1. Lisa Brennauer (GER) 38:48,16 Min. - 2. Anna Solowej (UKR) +0:18,68 Min. - 3. Evelyn Stevens (USA) +0:21,25. Weiter: 30. Martina Ritter (AUT) 3:59,36 - 38. Jacqueline Hahn (AUT) 4:40,91