Graz - "In welcher Stadt wollen wir leben?" lautete der Titel eines "Kulturdialogs" mit Spaziergängen und Ideenworkshop, zu dem Kulturstadträtin Lisa Rücker (Grüne) am Sonntag auf das Reininghaus-Areal in Graz einlud. "Sicher nicht in einer Stadt, in der es nur Ankündigungspolitik gibt", so einer der rund 100 Kulturschaffenden, Anrainer und Planer. Von Ankündigungen, Architekturwettbewerben und parteipolitischem Hickhack sah man in Graz seit 2004, als der heuer verstorbene Unternehmer Ernst Scholdan 54 Hektar der ehemaligen Brauerei erwarb, genug.

2012 entschieden sich über 67 Prozent der Grazer bei einer Bürgerbefragung dann gegen den Kauf durch die Stadt. Befürworter des Kaufs hatten vor einer Filetierung des Areals gewarnt, die eine größer gedachte Vision gefährden würde.

Schon 80 Prozent verkauft

Zwei Jahre später scheint es noch immer kein gemeinsames Vorgehen der Stadt zu geben. Als nämlich die Stadträtin am Sonntag versuchte, Grazer Bürger mit ihrer Veranstaltung wieder einzubinden, wusste sie gar nicht, dass Bürgermeister Siegfried Nagl (VP) Journalisten für Dienstag zu einem Pressegespräch zu Reininghaus, dem ersten seit langer Zeit, ins Rathaus geladen hatte. Nagl präsentierte dort zwölf Eigentümer. 80 Prozent des als Ökostadtteil imaginierten Areals, auf dem bisher nur eine neue ÖAMTC-Prüfstelle steht, sind bis jetzt verkauft. Unter den Eigentümern sind unter anderem eine Firma für Fertighäuser, die Lebensmittelkette Spar und Wohnbau- und Immobilienunternehmen.

Bei den Besuchern des Kulturdialogs von Rücker, darunter auch Mitglieder der Bürgerinitiative "Offene Reininghausgesellschaft", kristallisierte sich einmal mehr die Forderung nach einem offenen Umbau- und Entwicklungsprozess mit Bürgern, von denen 10.000 einmal hier leben sollen, heraus.

Dem stehe weiterhin nichts im Wege, heißt es aus dem Büro Nagl: "Jeder, der sich einbringen will, kann sich an den Reininghaus-Koordinator der Stadt, Albrecht Erlacher, wenden." An ein Viertel mit "urbanem, coolem Flair" sei noch immer gedacht. Durch den Rahmenplan der Stadt habe jeder Eigentümer klare Vorgaben. Die Eigentümer trafen am Dienstag erstmals alle aufeinander. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 23.9.2014)