Nils Pickert sah sich die Botschaften in den sogenannten Frauenzeitschriften genauer an.

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Frauenzeitschriften also. Meine Güte, gibt es davon viele. Daher zu Beginn gleich eine Präzisierung. Im weiteren Verlauf wird es nicht um Zeitschriften gehen, die vom Themenschwerpunkt her der Regenbogenpresse zugehörig sind und sich vornehmlich mit europäischen Adelshäusern und Prominenten beschäftigen, sondern um Zeitschriften, die analog zu "GQ", "Men's Health" und "Playboy" journalistisch breiter aufgestellt sind. Oder, um es anders zu formulieren: Es geht weniger um die Zeitschriften mit dem Begriff "Frau" im Titel ("Echo der Frau", "Frau im Spiegel", "Frau mit Herz") und mehr um die mit einem weiblichen Vornamen ("Brigitte", "Petra", "Grazia", "Bella", "Laura"). Zusätzlich sollte ich erwähnen, dass ich mich auf Magazine konzentriert habe, die sich eindeutig an heterosexuelle Frauen richten. Was insofern schade ist, als gerade Zeitschriften wie "L-Mag", das Lesben adressiert, und "Missy Magazine", das sich ganz bewusst gegen Heteronormativität und für Vielfalt entscheidet, oft die interessantere Lektüre darstellen.

Wer A sagt, muss auch "Brigitte" lesen

Wie bei Männermagazinen fällt bei Frauenzeitschriften als Erstes dieses ominöse, vereinnahmende "Wir"-Gefühl auf. Wir Frauen wollen wissen, was die neuen Trendfarben des Herbstes sind oder wie wir unsere Beziehung verbessern können. Geschlecht funktioniert hier einmal mehr als Überbetonung vorgeblicher Unterschiede oder Gemeinsamkeiten, die jedoch mindestens genauso sehr von anderen Faktoren bestimmt werden, die allesamt kaum Erwähnung finden. Sieht man davon einmal ab, lesen sich die durchschnittlichen Frauenzeitschriften für mich interessanter als ein Männermagazin. Ich überblättere zwar einen ähnlich großen Teil an langweiligem Verkaufsgespräch und entnervender Produktplatzierung, habe aber in anderen Bereichen den Eindruck, dass hier nicht so limitiert über Themen geschrieben wird, wie ich erwartet hätte.

Interviews, Dossiers, Lifestyle – das alles kann durchaus vielfältig und überzeugend daherkommen. Zumindest wenn man einige Frauenzeitschriften liest. Sind es jedoch viele, bemerkt man schnell die Überschaubarkeit der Themen. Und noch etwas: An einer Stelle packt mich dieses "Wir"-Gefühl dann doch. Denn während mir bei Männermagazinen die engen Grenzen und Verallgemeinerungen direkt ins Auge springen, weil sie ja gerade mich als Teil ihrer Zielgruppe anzusprechen versuchen, denke ich bei Frauenzeitschriften, die mich von vornherein gar nicht mit meinen wollen, oft nur: Ach, na ja, ist nicht so schlimm. Ist es aber. Eine Kollegin von der "taz" hat das mal als "Faschismus auf Hochglanzpapier" bezeichnet.

Motivationsseminar und eiskalte Abrechnung

So drastisch würde ich das nicht formulieren, aber möglicherweise auch nur, weil es mich nicht unmittelbar betrifft. Ich werde ja nicht angesprochen. Trotzdem: Wenn durchschnittliche Frauenzeitschriften Menschen wären, litten sie unter Persönlichkeitsstörungen. Sie lesen sich wie eine Mischung aus Motivationsseminar und eiskalter Abrechnung. "Heute beginnt der erste Tag vom Rest deines Lebens" versus "Was zur Hölle ist eigentlich los mit dir". "Du kannst sein, wer du bist, und wir helfen dir dabei" gegen "Meine Güte, bist du fett, unattraktiv und untervögelt – warum tust du nichts dagegen". Wenn Frauenzeitschriften eine Firma wären, dann der Unilever-Konzern, der Kampagnen für "Axe" UND "Dove" führt. Wo Astronauten für Frauen "den Verkehr regeln" beziehungsweise sie "mündlich prüfen" UND der Versuch unternommen wird, weibliche Körper in all ihrer Vielfalt und Schönheit zu zeigen, um Frauen zu bestärken.

Wie soll man so eine Lektüre bloß aushalten? Die interessanten Beispiele dafür, was man mit seinem Körper alles machen kann, auf der einen Seite. Und diese pathologische Körperfixierung, dieses ständige Rumkritisieren am physischen Ist-Zustand, damit Frau mit möglichst vielen Produkten einen Soll-Zustand erreichen wollen muss, auf der anderen. Mit der Zeitschrift "Petra" soll ich mich fragen, ob mein Essverhalten normal ist.

Mir fällt auf, dass ich mich in der privilegierten Situation befinde, mir diese Frage noch nie gestellt zu haben, obwohl sich mein Essverhalten in meinem Leben bestimmt schon viele Male verändert hat. Mir fällt außerdem auf, dass selbst wenn ich annehmen würde, dass die "Petra" eine solche Frage ohne böse Absichten stellt, es gerade Zeitschriften wie die "Petra" sind, die Frauen dazu anhalten, sich in ungesunder Weise mit ihrem Essverhalten zu beschäftigen.

Ähnlich verhält es sich mit Sex. Frauenzeitschriften reden über Sex vielfältiger und weniger technikfixiert als Männermagazine. Trotzdem reden sie zu oft über das Gleiche – nämlich darüber, was Männer wollen. In Männermagazinen werden Anleitungen dazu gegeben, wie sie "garantiert zum Höhepunkt kommt". Nicht etwa, weil er sie liebt oder unfassbar toll findet, sondern damit er ein guter Liebhaber ist, mit dem sie möglichst bald wieder Sex haben will. Es geht um ihn. In Frauenzeitschriften geht es auch viel zu oft um ihn. Wie sie ihn bläst, wie sie seine Fantasien umsetzt, wie sie ihn in der Beziehung halten kann.

Das junge Magazin "Séparée" schickt sich unter der Führung zweier Frauen an, das zu verändern. Ich bin gespannt, was daraus wird. Denn ehrlich gesagt bin ich nach der Lektüre von zahlreichen Männermagazinen und Frauenzeitschriften ziemlich genervt davon, dass ständig ein unfassbar limitiertes Bild von Männern im Mittelpunkt steht, während das unfassbar limitierte Bild von Frauen "so nebenbei" gleich mitentworfen wird. (Nils Pickert, dieStandard.at, 24.9.2014)