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Radoslaw Sikorski (links) übergibt sein Amt an Grzegorz Schetyna (rechts).

Foto: APA/EPA/Supernak

Glaubt man Grzegorz Schetynas Mutter Danuta, so wollte dieser den Job als polnischer Außenminister zunächst gar nicht annehmen. "Mein Sohn war der Ansicht, dass es in der aktuellen internationalen Lage besser wäre, würde weiterhin Radoslaw Sikorski die Außenpolitik anführen", wird sie im Economist zitiert.

So überrascht wie die Schetynas war fast ausnahmslos auch die polnische Öffentlichkeit. Zwar leitete der 51-Jährige seit 2011 den außenpolitischen Ausschuss im Parlament, doch profiliert hatte er sich kaum; auch wird ihm nachgesagt, nur über beschränkte Englischkenntnisse zu verfügen. Mutter Danuta plaudert aus: Diese verdanke er vor allem seiner Leidenschaft für den US-Sport Basketball.

Kommissarischer Staatspräsident

In der großen Politik stand der studierte Historiker und Philosoph de facto schon längere Zeit am Abstellgleis: Die Karriere des Ex-Gewerkschaftsaktivisten hatte 2009 einen Knick bekommen, als er über eine Affäre stolperte, in der gegen ihn - damals war er Innenminister - der Verdacht erhoben wurde, die Glücksspielbranche zu Ungunsten des Staates unterstützt zu haben. Er flog hochkant aus dem Kabinett von Donald Tusk und wurde durch Jerzy Miller ersetzt.

Doch richtig tief fiel er nicht. Er wurde Fraktionschef der rechtsliberalen Bürgerplattform (PO), dann Parlamentspräsident. Nach der Flugzeugkatastrophe von Smolensk 2010, bei der Präsident Lech Kaczynski starb, bekleidete er ein Monat lang sogar kommissarisch das Amt des Staatspräsidenten.

Studentenvertreter der Solidarnosc

Schetyna gilt trotz seiner juristischen Querelen als einer der beliebtesten Politiker im Land. Wie viele andere maßgebliche Politiker seines Landes war er schon in seiner Jugend in der antikommunistischen Gewerkschaft Solidarnosc engagiert. 1989 - im Wendejahr - saß er als Studentenvertreter mit am runden Tisch.

Dass der verheiratete Vater einer Tochter nun bereit ist, sich die sehr großen außenpolitischen Schuhe Sikorskis anzuziehen, mag mit plötzlich wieder rosigen Karriereperspektiven zusammenhängen: Sikorski hatte in sieben Amtsjahren klargemacht, dass sich Polen in der EU nicht mit der Rolle des unbedeutenden Mitläufers zufriedengeben will. Im Außenamt ist er zudem - so mutmaßt man in den politischen Korridoren in Warschau - keine Gefahr für Ministerpräsidentin Ewa Kopacz mehr, wenn es um den Parteivorsitz bei der Bürgerplattform geht. Diesen Job hatte Schetyna jahrelang angestrebt. (Gianluca Wallisch, DER STANDARD, 23.9.2014)