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Band, Keulen, Reifen, Ball: Nicol Ruprecht mag alle Handgeräte gerne. Hoch werfen kann sie sie in Wien nicht - aber in Izmir, wo diese Woche die WM stattfindet. Die Tirolerin strebt das Finale der besten 24 im Mehrkampf an. Und in weiterer Folge 2016 die Spiele in Rio.

Foto: APA/Hagen

Izmir/Wien - Westside Soccer Arena, Wien-Hütteldorf, Bahnhofstraße 1D: In der letzten Halle wird nicht Fußball gespielt. Acht junge Frauen verlassen gerade die Matte. Das Training ist ausnahmsweise früher zu Ende. Es ist kühl. Die Heizung ist ausgefallen. Kein dauerhaftes Problem.

Trainerin Lucia Egermann blickt Richtung Decke. Nein, die Hallenhöhe reiche bei weitem nicht aus. Zwölf Meter Höhe braucht's nicht fürs Kicken, aber für Rhythmische Gymnastik. Seit vielen Jahren arbeitet die Bulgarin in Wien unter suboptimalen Bedingungen. Nicol Ruprecht übt seit fünf Jahren in der Bundeshauptstadt. "Ich wollte eigentlich nicht nach Wien", sagt die Tirolerin aus Wörgl. Egermann habe es für nötig gehalten. Also übersiedelte sie gemeinsam mit ihren Eltern und zwei ihrer vier Geschwister. "Mit 17 allein nach Wien zu gehen, hätte ich mir nicht vorstellen können."

Mit fast 22 ist Ruprecht die Älteste im Nationalteam. Ursprünglich plante sie bis Rio 2016. Jetzt hat sie auch noch Olympia 2020 in Tokio im Kopf. "Meine Zeit hat erst angefangen." Seit mehr als einem Jahr ist Ruprecht Österreichs beste Gymnastin - seit im Juni 2013 die Vorarlbergerin Caroline Weber zurücktrat. Die 55-fache Staatsmeisterin nahm zweimal an Olympischen Spielen teil, war WM-14. und EM-Achte. Ruprecht hält bei sechs nationalen Titeln, null Olympia-Teilnahmen und einem 16. EM-Platz. "Ich dachte mir: 'Wann hört sie endlich auf?'" Aber als sie dann in Webers Fußstapfen trat, verspürte sie auch Druck. "Ich war plötzlich die Leistungsträgerin."

Widerstreit im Kopf

Während einer Übung kann viel passieren. Trotz 30 Stunden Training pro Woche. "Ich denke zu viel nach", sagt Ruprecht. "Einerseits denke ich mir vor einem Wettkampf: 'Ich kann das'. Andererseits: 'Aber es könnte auch schiefgehen.'" Sie arbeitet an dieser Schwäche. Das Mentaltraining fruchtet bereits. "Heuer ist es schon viel besser."

Für ihr Alter, sagt die Heeressportlerin, sei sie sehr beweglich. Gewisse Elemente hat sie dennoch aus ihrem Programm genommen. Der Rücken will fair behandelt werden. Die Körperspannung war lange Zeit ihr Manko. Weil Ruprecht ein hyperaktives Kind war, schickte sie ihre Mutter zum Ballett. Zuhause im Garten übte sie, was der Nachbarin nicht verborgen blieb. Diese war, wie es der Zufall wollte, Trainerin für Rhythmische Gymnastik. Sechsjährig begann Ruprecht mit dem Sport, an dem ihr bis heute das Ästhetische, das Schauspielerische gefällt. Und das Gefühl, eine gute Übung zu turnen.

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Nicol Ruprecht agiert ganz und gar nicht kopflos.
Foto: Reuters/Fedosenko

Ihr Vater, früher DJ, wählt die Musikstücke zu den Übungen aus. "Er hat kein schlechtes Händchen dafür." An der Choreografie wird gemeinsam mit der Trainerin gefeilt. Bei der heute beginnenden WM in Izmir, wo sie wie Natascha Wegscheider, Sophia Lindtner und ein Quintett in der Gruppe für Österreich antritt, will Ruprecht fehlerfrei bleiben - und das Mehrkampf-Finale der besten 24 erreichen. Das wäre eine Premiere.

Die Konstanz

Zur Weltspitze, der vorwiegend Sportlerinnen aus ex-sowjetischen Ländern angehören, fehle Ruprecht die Konstanz. "Ich kann eigentlich alle Elemente." Eine ihrer Spezialitäten ist der gedrehte Spagatsprung mit Rückbeuge. Wichtig: "Der Fuß muss auf Kopfhöhe sein." Ihre Übungen muss sie den Trainingsbedingungen anpassen. Statt hoher Würfe macht sie etwa mehr Drehungen.

Es gibt aber Hoffnung, was die Halle betrifft. "Wir haben eine bessere Lösung in Aussicht", sagt Verbandsgeneralsekretär Robert Labner. Hallenhöhe: 17 Meter. Noch ist nichts fix. (Birgit Riezinger, DER STANDARD, 22.09.2014)