"Geld ist wichtig, aber nicht alles", meint Neos-Politikerin Judith Raab

Foto: kerstin scheller

derStandard.at: Die Landtagswahlen in Vorarlberg galten für die Neos als Heimspiel. Dennoch hat Ihre Partei nicht einmal das Minimalziel drei Mandate und damit die Klubstärke erreicht. Woran lag es?

Raab: Wir haben im Vorfeld drei Ziele formuliert: Einzug in den Landtag, das Brechen der absoluten Mehrheit der ÖVP und Klubstärke. Letzteres haben wir knapp verpasst, dennoch war die Wahl für uns ein großer Erfolg, weil sie uns gezeigt hat, dass sich die Neos auch in den Landtagen etablieren können. Ein echtes Signal auch für die oberösterreichischen Landtagswahlen im kommenden Jahr.

derStandard.at: Neu und anders zu sein reicht ganz offensichtlich nicht mehr, um die selbstgesteckten Ziele zu erreichen, wie Vorarlberg gezeigt hat. Ein Programm für Oberösterreich fehlt den Neos aber noch ein Jahr vor den Landtagswahlen im Herbst 2015, bei denen sie antreten wollen.

Raab: Seit diesem Frühjahr haben wir in Oberösterreich eine Struktur aufgebaut, damit wir flächendeckend ankommen. Wir haben im April unser siebenköpfiges Landesteam vorgestellt, ein 9½- Punkte-Programm wird Ende des Jahres präsentiert.

derStandard.at: Ist das nicht zu spät? Die anderen Parteien haben bereits ihre Spitzenkandidaten in Stellung gebracht, und der Vorwahlkampf hat begonnen. Kann es sich ein politischer Neueinsteiger erlauben, zeitlich so hinterherzuhinken?

Raab: Die Themen, mit denen die Neos antreten, sind ja schon bekannt, es geht um die Stärkung der Demokratie, das große Thema ist Bürgerbeteiligung, die wir in unserer Partei leben. Und es geht darum, dass das Thema Bildung vorangetrieben wird. Konkrete Details für Oberösterreich werden derzeit von unseren Arbeitsgruppen ausgearbeitet.

derStandard.at: Aber wie wollen die Neos dort ihre Ziele, Einzug in den Landtag sowie Erreichen der Klubstärke, schaffen, wenn es bis jetzt noch nicht einmal eine Landespartei gibt?

Raab: Wir sind als Landesteam für Oberösterreich Teil der Bürgerbewegung Neos. Es ist Teil unseres Konzeptes, dass es nicht Bünde gibt oder einzelne für sich kämpfende Bundesländer. Ziel der Neos ist es, Verantwortung zu übernehmen, wir ergötzen uns nicht an der Oppositionsrolle, wir sind für etwas. In einem ersten Schritt muss man aber die Kirche im Dorf lassen. Als erster Schritt erfolgt der Einzug in den Landtag.

derStandard.at: Wenn man sich so viel vornimmt, braucht man auch einen finanziellen Background. Wie werden die Neos den Wahlkampf finanzieren?

Raab: Geld ist wichtig, aber nicht alles. Bei uns arbeiten alle ehrenamtlich, und wir haben keine Parteienförderung, keine Steuergelder, um eine Parteistruktur aufzubauen, da wir nicht in einer gewählten Funktion sind. Ja, es gibt Menschen, die bereit sind, von sich aus Geld zur Verfügung zu stellen. Das ist natürlich kein Vergleich mit den Summen, die die etablierten Parteien haben. Allein in Oberösterreich werden 20 Millionen Euro an Parteienförderung ausbezahlt. Das ist doch Wahnsinn.

derStandard.at: Aber auch die Neos lukrieren seit ihrem Einzug in den Nationalrat knapp fünf Millionen Euro Parteienförderung.

Raab: Selbst wenn wir nach dem Einzug in den Landtag auch Anspruch darauf haben, fordern wir dennoch eine drastische Senkung des Beitrags. Dieses Geld ist besser in Bildung zu investieren, anstatt Parteiapparate damit zu finanzieren.

derStandard.at: Sie wurden zur Landessprecherin gewählt. Sind Sie auch die Spitzenkandidatin für die Landtagswahl?

Raab: Das ist noch offen, das wird im kommenden Frühling entschieden. Aber ich werde mich sehr gerne zur Verfügung stellen.

derStandard.at: Ist es nicht sehr vermessen, erst im Frühjahr einen Spitzenkandidaten zu küren, wenn der Wahlkampf bereits voll im Gange ist?

Raab: Bei uns stehen die Themen im Vordergrund und die Einbindung der Bürger. Personalentscheidungen für einzelne Funktionen spielen eine sekundäre Rolle.

derStandard.at: Apropos Personal: Sie waren bis 2014 bei der ÖVP, jetzt führen Sie die Neos in Oberösterreich an. Wie kam es zu dem politischen Wechsel?

Raab: Meine Abkühlphase bei der ÖVP begann schon vor einigen Jahren. Ich hatte das Gefühl, ich kann in der Partei nichts bewegen. Es verändert sich nichts, ganz gleich, welchen Beitrag ich leisten möchte. Die ÖVP ist ein Riesenapparat, und es wird von oben so viel vorgegeben. Ein Einbinden, Mitgestalten gibt es nicht.

derStandard.at: Ihnen wurde jüngst vorgehalten, Ihre politische Vergangenheit zu verheimlichen ...

Raab: Ich habe nie einen Hehl aus meiner politischen Vergangenheit gemacht. Ich war jahrelang bei der ÖVP, das habe ich immer gesagt. (Kerstin Scheller, derStandard.at, 22.9.2014)