Gertrude Reinisch-Indrich ist eine der Initiatorinnen der Grenzgänge 2014.

Foto: Indrich

STANDARD: Die 1. Österreichische Frauenexpedition stand unter dem feministischen Motto "A woman's place is on the top". Heute, zwei Jahrzehnte später, hat sich die Situation für Frauen verbessert?

Reinisch-Indrich: Nein, nicht wirklich. Ein Beispiel: Als wir mit den Fahrrädern entlang der österreichisch-slowakischen Grenze unterwegs waren, haben uns zwei Männer erklärt, wenn wir ihre Frauen wären, sie würden uns die Ketten der Fahrräder wegnehmen. Auch sonst bekommen wir jede Menge Macho-Sprüche zu hören. Besonders lustig sind dann Männer, die uns erklären, wie wir uns auf dem Berg zu verhalten hätten, obwohl sie diejenigen sind, die die ganze Partie aufhalten.

STANDARD: Da hat sich gar nichts verändert? Auch nicht in der jüngeren Generation?

Reinisch-Indrich: Natürlich gibt es junge Sportkletterer, die haben kein Problem, wenn eine Frau als Seilerste vorsteigt. Aber auch viele junge Männer sind in ihrer Würde gekränkt und würden Frauen nie als Erste gehen lassen. Es gibt da ein starkes Stadt-Land-Gefälle.

STANDARD: Der ORF hat die Expedition 1994 in seinem Filmbericht damals als zerstrittenen Weiberhaufen präsentiert. Wäre ein derartiger Untergriff heute noch möglich?

Reinisch-Indrich: Man muss das realistisch sehen, es kommt ja immer darauf an, was der Auftrag ist, was gemacht werden soll. Die Frauenexpedition als zerstrittenen Weiberhaufen vorzuführen war damals wohl der Auftrag für das Filmteam. Eine Dokumentation über eine harmonische Expedition hätte niemanden interessiert. In Wahrheit hat es zwar bei uns manchmal Unstimmigkeiten gegeben, aber im Vergleich zu vielen anderen - männlich dominierten - Expeditionen waren das Peanuts

STANDARD: In der Zeit, in der Sie und Christine Eberl längst unterwegs waren, hat Österreich die Töchter-Hymne und das Binnen-I diskutiert. Für Sie auch ein Thema?

Reinisch-Indrich: Ehrlich gesagt, nein. Ich finde das ein wenig krampfig und kindisch. Offen gesagt haben wir 1994 das Motto "Frauenexpedition" schon auch deshalb gewählt, weil es so leichter war, Sponsoren zu finden. Aber ich muss nicht bei allem und jedem hervorheben, dass ich als Frau etwas mache. Es reicht, es zu machen.

STANDARD: Die Teilnehmer der der Umrundung Österreichs entlang der Staatsgrenze sind mehrheitlich über fünfzig. Verstehen Sie das Projekt auch als Statement für die Generation der "Best Agers"?

Reinisch-Indrich: Nein, so ist das nicht zu verstehen. Wir haben ja auch viele unter 20, die uns begleiten. Sportmedizinischer Fakt ist aber, dass man ab einem gewissen Alter eine bessere Ausdauerleistung hat.

STANDARD: Ihre größte Enttäuschung bisher am Weg rund um unser Land?

Reinisch-Indrich: Vielleicht das sogenannte "Grüne Band". Der naturnah belassene ehemalige Grenzstreifen wird zwar touristisch beworben, tatsächlich verlaufen aber viele Rad- und Wanderwege weit weg vom Grenzverlauf, einfach auf den Straßen. Das ist Augenauswischerei und eine reine Tourismusaktion. (Thomas Neuhold, DER STANDARD, 22.9.2014)