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Italiens Regierungschef Matteo Renzi kommt in Bedrängnis. Die Verschuldung im Land steigt, die Leute geben immer weniger Geld aus, internationale Institutionen fordern rasch Reformen ein.

Foto: EPA / Alessandro Di Meo

Reformen seien für Italien die letzte Chance, das seit Jahren anhaltende Wirtschaftsdilemma zu überwinden. Regierungschef Matteo Renzi nahm sich kein Blatt vor den Mund: Die Arbeitsmarktreform müsse so schnell wie möglich durchgebracht werden, mahnte er kürzlich vor dem Parlament. Er sei bereit, gegen den Widerstand in den Kammern sein Reformprogramm durchzusetzen.

Widerstand kommt etwa von den Gewerkschaften. Der radikale Gewerkschaftsverband Cgil protestiert vor allem gegen die Lockerung des im Paragrafen 18 des Arbeitsrechtes festgelegten Kündigungsschutzes. Dieser fordert von Unternehmen mit mehr als 15 Arbeitnehmern das Recht der Wiedereinstellung bei ungerechtfertigten Entlassungen. Der Richter muss entscheiden, ob eine Kündigung rechtsmäßig begründet sei. Der Paragraf 18 wird von den Arbeitnehmern und dem ideologisch ausgerichteten Flügel der Regierungspartei PD als "heilige Kuh" bezeichnet. Ausländische Investoren nennen den rigorosen Kündigungsschutz in Italien als Investitionshindernis.

Spaltung der Regierung möglich

"Wo waren die Gewerkschaften in den letzten zwanzig Jahren, als die Anzahl der Beschäftigungslosen und der Arbeitnehmer mit befristeten Arbeitsverträgen enorm stark zunahm", kontert Renzi. Tatsache ist, dass die Gewerkschaften derzeit primär die Vollzeitbeschäftigten schützt und die rund drei Millionen Arbeitslosen vernachlässigt.

Politische Beobachter schließen auch eine Spaltung der Regierungspartei nicht aus. Denn die sogenannten Altkommunisten, wie Ex-Regierungschef Massimo d'Alema oder Ex-Parteisekretär Pierluigi Bersani fordern eine Änderung des Reformtextes. Renzi droht nun, die Partei "entrümpeln" zu wollen und kritisiert die veralteten Ideologien mancher Parteigenossen.

Die Regierung steht unter Zugzwang. Nicht nur die EZB, OECD und der IWF, auch die EU-Kommission hat Italien mehrmals aufgefordert, den Reformkurs zu beschleunigen. Die Gefahr, dass die Troika das Zepter übernimmt, ist bei einer weiteren Verzögerung akut. Denn Italien ist das einzige Land im Euroraum, das auch 2014 in Rezession verharrt. Noch ist nicht gewiss, ob die Neuverschuldung die Drei-Prozent-Grenze des BIPs überschreiten wird. Mit Gesamtschulden von 136 Prozent des BIP ist Italien das zweithöchst-verschuldete Land der EU, nach Griechenland.

Trübe Aussichten

Problematisch ist, dass die Rezession von einer Deflation flankiert wird. Die Arbeitslosenquote von 12,3 Prozent liegt im EU-Spitzenfeld. Der private Konsum ist seit 2007 um 80 Mrd. Euro geschrumpft. Das bedeutet, dass jede Familie heuer 3300 Euro weniger ausgibt als vor sieben Jahren. Die Aussichten für eine Erholung sind gering: Für 2015 wird mit einem kümmerlichen Ein-ProzentWachstum gerechnet. (Thesy Kness-Bastaroli aus Mailand, DER STANDARD, 22.9.2014)