Aus der Sammlung des Freud-Museums: Franz Wests "Liège" (1989) vor Joseph Kosuths Schrift-Kunst-Tapete.

Foto: Belvedere, Wien

Wien - "Bei welcher Waffe befindet sich Ihr Herr Sohn?", wird eine Dame gefragt. "Bei den 42er-Mördern", antwortet sie. Doch nicht bei den Mördern ist der Sohn, sondern bei den Mörsern. Dieses Beispiel für einen Lapsus zitierte Sigmund Freud 1904 in seinem Buch Psychopathologie des Alltagslebens. Er erklärte darin die Wirkmechanismen des Verdrängten, das sich etwa durch Versprecher unwillkürlich Geltung verschafft. Am 23. September vor 75 Jahren starb der Psychoanalytiker im Londoner Exil. Seine Schriften sind bis 11. Jänner in der Schau Sigmund Freud und das Spiel mit der Bürde der Repräsentation zu finden, die der Konzeptkünstler Joseph Kosuth kuratiert hat.

Bereits zum 50. Todestag hat der New Yorker Freud-Kenner 1989 die Wohnräume in der Berggasse 19 mit seiner Installation Zero & Not tapeziert. Jetzt dominieren Kosuths flächendeckende Wandbilder mit den unlesbaren, weil durchgestrichenen Schriftzeilen aus Freuds Psychopathologie das Obergeschoß des 21er-Hauses. Sie bilden den Hintergrund für Arbeiten von siebzig anderen Künstlern, von denen fünfzehn Werke aus der Sammlung des Sigmund-Freud-Museums stammen.

Wie entsteht Bedeutung, und welche Ebenen offenbart sie? Diese freudianische Frage zieht sich durch Kosuths vielschichtige Arbeiten aus Textbildern, Fotografien, Neonröhren oder auch Reproduktionen von Handschriften und altmeisterlichen Gemälden. Erstmals werden seine Freud-bezogenen Arbeiten aus den 1980er-Jahren gemeinsam gezeigt. Und es beeindruckt, wie zeitgemäß ihre Form und Vertracktheit heute noch wirkt. Mal tauchen des Analytikers handschriftliche Korrekturen des Aufsatzes Über Fetischismus in Neon auf, mal kombiniert Kosuth ein Foto von Freuds Türschwelle mit einer Textpassage aus der Traumdeutung.

Was wurde aus Freuds Bibliothek? Diese Leitfrage brachte das Künstlerpaar Clegg & Gutmann 2004 zu einem Bücherturm namens Sha'at'nez oder die verschobene Bibliothek im Freud-Museum. Mit Fotografien von Buchregalen führt das Duo in jene Bibliotheken, in denen Bände der zerrissenen Sammlung heute stehen. Die Frage von An- und Abwesenheit ist hier so zentral wie in Kosuths Arbeiten.

Ein anderer Ausstellungsschwerpunkt lässt in die surrealistischen Welten der amerikanischen Künstlerinnen Francesca Woodman und Cindy Sherman eintauchen, deren inszenierte Fotografien oft eine traumgleiche Qualität entwickeln. Wenn sich Woodman nackt auf dem Boden neben einem Aal krümmt, ist das poetisch und unheimlich zugleich.

Kastrationsangst

Da dem Wiener Freud-Museum die Originalcouch fehlt, behalf man sich mit Franz Wests ungleich härterer Liège. Sherrie Levine steuerte ein Paar Herrenschuhe in Kindergröße mit verknoteten Schuhbändern zur Contemporary Art Collection des Sigmund-Freud-Museums bei. Der Deutsche Olaf Nicolai thematisiert die geringe Verbreitung von Freuds Schriften im arabischen Raum; Jürgen Teller schoss Aktfotos auf dem berühmtesten aller Sofas, das so lange Ohrenzeuge erotischer Fantasien war. Der Aktionismus Wiener (Rudolf Schwarzkogler) wie kalifornischer (Mike Kelley, Paul McCarthy) Spielart scheint Kastrationsangst und Todestrieb durch alle Poren zu atmen, während sich Künstler wie Marcel Broodthaers oder Heimo Zobernig der Analyse von Sprache und Zeichen verschrieben haben.

Es wäre weit verfehlt, von dieser Ausstellung eine Einführung in die Psychoanalyse oder eine Illustration ihrer Thesen zu erwarten. Aber Kosuths Kuratorische Installation beweist, dass das künstlerische Spiel ein probates Mittel sein kann, das Unbewusste als Quelle von Doppeldeutigkeiten und Fehlern zu begrüßen. (Nicole Scheyerer, DER STANDARD, 19.9.2014)