Der Crooner Tony Bennett ist 88. Am Dienstag gastierte er in Wien. Nächste Woche erscheint ein Album von ihm mit Lady Gaga. Im Konzert ersuchte er, dieses bitte zu kaufen. "Sie braucht das Geld."


Foto: Georg Hochmuth

Wien - Nachdem sich die Band warm gespielt hatte, gab es erstmals Standing Ovations. Nicht für die Band. Nein, der Star der Show betrat die Bühne. Mehr brauchte er nicht zu tun, schon flogen ihm die Herzen und deren Schrittmacher zu. Gerührt nahm sie der große kleine Mann zur Kenntnis, fasste sich ans Herz und lächelte dieses Lachen, dieses Tony-Bennett-Lachen, das nur einer kann, Tony Bennett.

Er lächelt es sogar während des Vortrags, während er in unzweideutiger Diktion Damen anschmachtet, in zwei Minuten über die Freuden des Lebens singt oder das kalte Herz einer Angebeteten beklagt. Dabei streckt er die Hände aus oder umfasst mit beiden das Mikrofon, als suche er Halt.

Tony Bennett ist 88 Jahre alt und einer der letzten seiner Art, wenn nicht der letzte überhaupt. Tony Bennett ist ein Crooner. Ein singender Gentleman mit Schwächen. Ein Sir der alten Schule, gestählt in den Clubs zwischen New York und Los Angeles sowie den Casinos von Las Vegas.

Dort, wo Frank Sinatra und Dean Martin, Al Martino und all die anderen Lumpis mit den Mafia-Bossen tranken, Karten spielten und Spielschulden mit Gratisauftritten abarbeiteten. Sammy Davis junior, noch so einer, wusste von dieser Praxis am besten Bescheid. Auch Bennett machte mit der Mafia Bekanntschaft. 1979 soll es gewesen sein, da verschaute er sich in die Freundin von Anthony Spilotro. Keine gute Idee.

Spilotro galt als Wise Guy und diente Martin Scorsese als Vorlage für jene Rabiatperle, die Joe Pesci in seinem Mafia-Epos Casino verkörperte. Dabei hatte Bennett Glück. Spilotro schlug ihn nur mit einem Telefonbuch k. o., nicht mit dem Telefon selbst.

Tiefpunkt und Neubeginn

Bennetts Karriere war damals an einem Tiefpunkt angelangt. Er war polytoxikoman, galt als suizidgefährdet und hatte Probleme mit der Steuerfahndung. Das eigene Label hatte gefloppt, die letzten Hits waren länger her, und er lebte weit über seine Verhältnisse. Nach einer beinahe tödlichen Kokainüberdosis ging der 1926 als Anthony Dominick "Tony" Benedetto in New York geborene Sänger auf Entzug.

Sein als Musiker erfolgloser Sohn kümmerte sich fortan um seinen als Geschäftsmann erfolglosen Vater, und dem gelang so eine Art Wiedergeburt, als ihn Protagonisten entdeckten, die aus der Ecke der Gegenkultur kamen.

Plötzlich sah man Tony Bennett bei MTV auftreten, als Simpsons -Charakter, in David Lettermans Show, bei Conan O'Brien. 1994 veröffentlichte er sein MTV-Unplugged-Album, das sich millionenfach verkaufte.

Diese Nähe zur Popkultur besteht bis heute. Nächste Woche erscheint das Album Cheek to Cheek, das er mit Lady Gaga eingespielt hat. Im Konzert spielte er daraus The Good Life und sagte: "Das Lied ist von meiner CD mit Lady Gaga. Ich hoffe, sie kaufen das Album. Sie braucht das Geld."

Bennett selbst muss der Welt nichts mehr beweisen. Als Wise Guy des Showbusiness stand er am Dienstag auf der Bühne der Stadthalle und arbeitete sich mit einem gepflegten Jazzquartett (Gitarre, Stehbass, Schlagzeug und ein Steinway) durch ein gepflegtes Programm aus seinen Hits.

Das Mikro leger auf Halbmast, stimmlich manchmal eher eruptiv als elegant, aber immer charmant und - natürlich - lächelnd, durchmaß er Songs wie Sinatras One for My Baby (And One More for the Road), tänzelte durch The Shadow of Your Smile, gestand I'm Old Fashioned, verlor sein Herz pflichtschuldig in San Francisco oder interpretierte Charlie Chaplins Smile. Der hatte Bennett einst aus der Schweiz einen Dankesbrief geschickte, als er dieses Lied spät zum Hit machte.

Am Ende waren alle gerührt, Bennett blinzelte, legte das Mikrofon weg und schmetterte Fly Me to the Moon in den Saal. Unplugged. Ein Star in den Sternen. Schön. (Karl Fluch, DER STANDARD, 18.9.2014)