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Die Sonnenpyramide (links hinten) und die Straße der Toten von Teotihuacán, wo man sich bereits vor 1800 Jahren an Pulque berauschte.

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Am "Agavenwein" erfreuen sich Mexikaner bis heute.

Foto: APA/EPA/Mario Guzman

Bristol/Wien - Vor knapp 2000 Jahren war Teotihuacán vermutlich eine der größten Metropolen der Welt: Zwischen dem Jahr 100 und 650 unserer Zeitrechnung war die Stadt jedenfalls das dominierende kulturelle, wirtschaftliche und militärische Zentrum Mittelamerikas. Am Höhepunkt ihrer Entwicklung zählte die Stadt, deren regelmäßiges Raster von Wohnblocks und Straßen sich über rund 36 Quadratkilometer erstreckt, wahrscheinlich über 100.000 Einwohner.

Mit letzter Sicherheit lässt sich das alles freilich nicht belegen. Selbst von der Kultur, die Teotihuacán erbaute, weiß man in Ermangelung schriftlicher Aufzeichnungen so gut wie nichts - also weder, wie die Bewohner lebten oder woran sie glaubten. Im Dunkel bleibt bisher auch, woher dieses Volk kam und warum vor rund 1.350 Jahren seine Vormachtstellung endete.

Wo man zu einem Gott wird

Auch der Name Teotihuacán ist nicht authentisch: Er stammt von den Azteken, die nur mehr auf die Ruinen der Stadt stießen, und bedeutet so viel wie "Wo man zu einem Gott wird". Seit 1987 gehört die archäologische Stätte zum Weltkulturerbe der Unesco. Ihr Wahrzeichen ist die riesige Sonnenpyramide.

Ein wenig Licht ins präkolumbische Dunkel bringt nun ein Forscherteam um Marisol Correa-Ascencio von der britischen Universität Bristol. Die Archäologen nahmen Rückstände von Amphorenscherben aus Teotihuacán unter die Lupe und unterzogen sie gaschromatografischen Analysen. Dabei stießen sie auf Überreste von Bakterien der Art Zymomonas mobilis, die den Forschern wohlbekannt waren.

Ähnlich wie der Hefepilz die Herstellung von Bier ermöglicht, bewirken diese Mikroben die Vergärung von Agavensaft. Auf diese Weise wird bis heute das weißliche, leicht alkoholische Gebräu Pulque hergestellt, das als mexikanisches Nationalgetränk gilt.

Die Forscher gehen im Fachblatt "PNAS" davon aus, dass Pulque bereits vor 1800 Jahren in Teotihuacán produziert und in Amphoren gelagert wurde. Damit habe man auch den bisher ältesten Beleg für die Produktion dieses alkoholischen Getränks geliefert, das wahrscheinlich nicht nur der Berauschung diente.

Die Wissenschafter vermuten, dass Pulque auch eine wichtige Ergänzung des sonst eher kargen Nahrungsmittelangebots in der präkolumbischen Metropole darstellte. Dem damaligen Hauptnahrungsmittel Mais mangelt es an einigen wichtigen Nährstoffen, Vitaminen und Aminosäuren - Pulque hat dieses Defizit vermutlich kompensiert.

Alkohol als Mais-Ersatz

Außerdem kann Frost und Trockenheit den Agaven im Gegensatz zum eher empfindlichen Mais wenig anhaben. Damit dürfte Pulque damals eine ähnliche Funktion gehabt haben wie das Bier bei uns im Mittelalter - und für manche noch heute: Er war schlicht und einfach "flüssiges Brot". (Klaus Taschwer, DER STANDARD, 17.9.2014)