Wien - Zu einer Abrechnung mit der heimischen Medienpolitik ist es am Dienstag bei den diesjährigen Österreichischen Medientage gekommen. Peter Lammerhuber, Chef der Mediaagentur Group M, machte sich Sorgen um die österreichische Medienlandschaft. "2.342 Zeichen beziehungsweise 0,75 Prozent des Regierungsprogramms drehen sich um Medienpolitik. Das ist aus meiner Sicht ein bisserl wenig", so Lammerhuber.

Dabei gebe es jede Menge Herausforderungen angesichts des digitalen Umbruchs. Und. "Es bräuchte dafür medienpolitische Rahmenbedingungen." Der Adressat dieser Forderung ist Lammerhuber und dem Publikum der Medientage allerdings kurzfristig abhandengekommen. Medienminister Josef Ostermayer (SPÖ) sollte die Medientage eröffnen und mitdiskutieren, wegen der Angina von Kanzler Werner Faymann sagte er jedoch ab.

Das hielt Lammerhuber freilich nicht davon ab, der Medienpolitik mangelnde Zukunftsorientierung abzusprechen. Die Vielfalt der digitalen Welt wirke sich bereits massiv auf die österreichische Medienlandschaft aus. Österreich habe inzwischen rund sechs Millionen Internet-Nutzer. Allein 127 Einzelangebote würden in der Web-Analyse (ÖWA) erfasst. Dabei seien internationale Player wie Facebook, Google, YouTube oder Twitter noch gar nicht erfasst. Weltweit gebe es 98 Millionen heruntergeladene Apps, in Österreich seien über 600.000 Tablets im Umlauf, und 30 Prozent der Medienzugriffe erfolgten hierzulande bereits mobil. "Das ist eine rasante Entwicklung", so Lammerhuber.

Datenschutz und Leistungsrecht

Angesichts dieser dramatischen Entwicklung vermisst der Medienexperte "Haltung" der Regierung zu medienpolitischen Themen. Österreich brauche einen Standpunkt zu uneinheitlichen Steuerregelungen innerhalb der EU, von der vor allem große Internet-Konzerne profitierten. Notwendig sei eine Neuordnung beim Datenschutz und beim Leistungsschutzrecht. Die Wettbewerbsverzerrung durch die Werbeabgabe müsste abgestellt werden - Lammerhuber plädierte für eine Senkung von 5 auf 3 Prozent, dafür sollte die Steuer auf alle Werbebotschaften an österreichische Konsumenten ausgeweitet werden.

Darüber hinaus sprach sich Lammerhuber für eine Neuorientierung der Medienförderung und die Bildung eines Budgettopfs aus ORF-Haushaltsabgabe, Werbeabgabe sowie Presse- und Filmförderung aus. Die Fördermittel sollten dann neustrukturiert vergeben werden, so Lammerhuber, der mit seinen Forderungen bei den Medienmachern auf Zustimmung stieß.

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz ortete das Problem, dass "die Medien so stark im Umbruch sind, dass die Medienpolitik nicht mithalten kann. Momentan gilt in der Politik immer noch das Axiom Äpfel sind wichtiger als Apple." Die Lage der Äpfelbauern sei demnach wichtiger als Veränderungen in der digitalen Welt. "Das führt auf europäischer, aber auch auf österreichischer Ebene zum Problem asymmetrischer Regulierung", so Wrabetz. In Deutschland sei es etwa öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern aus kartellrechtlichen Gründen untersagt worden, Video-on-Demand-Plattformen zu gründen. "Jetzt kommt Netflix, versammelt alles auf einer Plattform, und es gibt keinen Mucks."

Für den ORF-Chef ist denn auch klar, dass es medienpolitische Veränderung brauche, um auf die digitalen Herausforderungen reagieren zu können. "Das iPad kam im Herbst 2010, das aktuelle ORF-Gesetz ist aus dem Juli 2010."

Frustration über Medienpolitik

Thomas Kralinger, Präsident des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ), konstatierte eine "Krise" zwischen Politik und Medien. Dialog und Grundkonsens, den es über viele Jahre gegeben habe, seien verloren gegangen. Er selbst habe bei Gesprächen mit Politikern in der jüngeren Vergangenheit immer wieder zu hören bekommen, "wenn ihr so schreibts, brauchts ihr euch nicht wundern, wenn wir euch nicht unterstützen". Die Frustration über die Medienpolitik auf Medienseite sei jedenfalls groß, so Kralinger.

Ähnlich Styria-Vorstandsvorsitzender Markus Mair: "Wir stehen einfach nicht auf der Agenda. Wir kommen unter Allfälliges oder Abfälliges vor." Mair plädierte allerdings auch für Selbstkritik der Medien. "Natürlich kommen viele Politiker und sagen, ich werde schlecht behandelt, man schreibt schlecht über uns, und das, was wir sagen wollen, bekommen wir nicht rüber. Aber wir sollten uns auch selbst überlegen, wie wir besser auf die Agenda kommen." Kritik an der Politik formulierte freilich auch Mair: "Wenn zwei Spitzenpolitiker immer nur Pingpong spielen und darauf warten, dass dem anderen der Ball runterfällt, darf man sich nicht wundern, wenn darüber negativ berichtet wird. Aber wenn die Politik Inhalte liefert, die Perspektiven aufmachen, die Visionen aufzeigen, dann glaube ich auch, dass sich redaktionelle Inhalte über Politik wieder ändern werden."

Kralinger und Wrabetz griffen darüber hinaus Lammerhubers Vorschlag zur Neuordnung der Medienförderung auf. Eine Neuaufstellung mache Sinn, so Kralinger. "Wir brauchen entsprechende Rahmenbedingungen der Politik. "Wir stehen auf einem Teppich, und dieser Teppich wird uns derzeit weggezogen", warnte der Verlegerpräsident. "Wenn man sieht, was im Landwirtschaftsbereich oder bei den Wohnbauförderungen herumgeschoben wird, ist das ein interessanter Ansatz, meinte ORF-Chef Wrabetz. (APA, 16.09.2014)