Mikroskopische Aufnahme des Fadenwurms Eubostrichus fertilis (links). Die sichelförmigen bakteriellen Zellen sind auf seiner Oberfläche wie Schichten einer Zwiebel angeordnet (rechts).

Foto: Silvia Bulgheresi

Mikroskopische des Fadenwurms Eubostrichus dianeae (links). Sein Fell besteht aus fadenförmigen bakteriellen Zellen; jede Zelle ist nur mit einen Ende auf der Wurm-Oberfläche befestigt.

Foto: Silvia Bulgheresi

Wien - Die Welt der Mikroben birgt viele faszinierende Überraschungen. Forscher der Universität Wien berichten aktuell im Fachjournal "Nature Communications" über ein auf Meereswürmern lebendes Bakterium mit enormen Größenunterschieden: Die Individuen dieses Bakteriums unterscheiden sich größenmäßig um das bis zu Zehnfache. Und obwohl man die größten unter ihnen sogar mit freiem Auge erkennen kann, vermehren sie sich durch konventionelle Zellteilung.

Das Leben einer Zelle ist ziemlich einfach: Sie verdoppelt ihre Größe, teilt sich in der Mitte, und es bilden sich zwei idente Tochterzellen. Dann beginnt der Zyklus wieder von neuem. Bisher ging man davon aus, dass sich Zellen derselben Population in ihrer Größe kaum unterscheiden und die konventionelle Zellteilung auf Bakterien mit "normaler" Größe beschränkt ist (z.B. Escherichia coli ist 2 Mikrometer lang).

Längsteilung

Nun haben Silvia Bulgheresi und ihr Team vom Department für Ökogenomik und Systembiologie der Universität Wien Bakterien auf den zwei marinen Fadenwürmern Eubostrichus fertilis und E. dianeae entdeckt, die sich durch konventionelle Zellteilung vermehren, obwohl sie erstaunlich groß sind.

Bereits 2012 wies Bulgheresi in einer Studie nach, dass einige stäbchenförmige Bakterien in der Lage sind, sich längs zu teilen. Nun entdeckte sie, dass die großen, sichelförmigen Bakterien, die die Oberfläche von E. fertilis bedecken, mit beiden Enden befestigt sind. Dadurch sieht der Wurm wie ein Seil aus.

Zehnfacher Größenunterschied

Bei genauerer Betrachtung kann man erkennen, dass die kleinsten Zellen an der Wurmoberfläche sind und wie Schichten einer Zwiebel von immer größer werdenden Zellen bedeckt werden. Dabei beträgt der Größenunterscheid zwischen den kleinsten und den größten Zellen ein Zehnfaches. "Nachdem wir tausende solcher Zellen fotografiert und analysiert haben, konnten wir zeigen, dass dieser unerwartete Größenunterschied daher rührt, dass sich die Bakterien bei jeder Länge zwischen 3 und 45 Mikrometer teilen können", so Bulgheresi.

Auf der Oberfläche des Wurmes E. dianeae sind die fadenförmigen Bakterien hingegen nur mit einem Ende befestigt, sodass sie wie ein dichtes Fell wirken. Ein einzelnes "Fellhaar" kann bis zu einem Zehntelmillimeter lang werden – Menschen mit guten Sehvermögen können dies mit freiem Auge erkennen. "Wir konnten zeigen, dass die bis zu 120 Mikrometer langen bakteriellen Partner von E. dianeae die längsten Bakterien sind, die im Stande sind, sich so zu teilen wie das bekannte, aber deutlich kleinere Escherichia coli Bakterium", erklärt Nika Pende, eine der Studienautorinnen. Wie diese Zellen es schaffen, sich genau in der Mitte zu teilen und dadurch zwei idente Tochterzellen hervorzubringen, wird derzeit untersucht.

Individuelle Anordnung

Die Forscher wollen in ihrer künftigen Arbeit auch die Ursache für das enorme Wachstum der Bakterien und den Zweck ihrer unterschiedlichen Anordnung zu beleuchten. Eine mögliche Antwort wäre, dass sich die jeweiligen bakteriellen Anordnungen individuell entwickelt haben, um sich das Optimum aus dieser engen Partnerschaft mit dem Wurm zu holen.

"Menschen tragen durchschnittlich 1 kg Mikroorganismen mit sich, und diese können selbstverständlich auch unsere Gesundheit beeinflussen. Bedenkt man dies, ist es wichtig, mehr über die Faktoren, die die Vermehrung von Mikroorganismen steuern, zu wissen", sagt Silvia Bulgheresi. (red, derStandard.at, 21.9.2014)