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Ausgelassen feierte Jimmi Åkesson, Chef der Schwedendemokraten.

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Auf Löfven wartet eine schwierige Regierungsbildung.

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Der klare Sieger bei den schwedischen Parlamentswahlen am Sonntag steht fest: Es sind die Schwedendemokraten unter ihrem Vorsitzenden Jimmie Åkesson. Mit ihrer populistischen Botschaft von "Wohlfahrt statt Masseneinwanderung" konnten die weichgespülten Nationalisten ihre Stimmen auf fast 13 Prozent verdoppeln. Hinter Sozialdemokraten und Konservativen wurden sie drittgrößte Kraft im Parlament. "Jetzt sind wir das Zünglein an der Waage", verkündete ein enthusiasmierter Åkesson, "und für die anderen wird es schwieriger, uns zu ignorieren".

Keine klaren Mehrheiten

Das Ergebnis ist ein Schlag ins Gesicht der etablierten Parteien, die die Schwedendemokraten im Parlament bisher konsequent ignoriert und isoliert haben. An dieser Linie will auch der zweite Gewinner dieser Wahl, der sozialdemokratische Herausforderer Stefan Löfven, festhalten.

Doch sein Sieg ist bittersüß. Zwar wurde das rot-grüne Lager mit knapp 44 Prozent der Stimmen stärker als die bürgerlich-liberale Koalition von Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt, die das Land acht Jahre lang regierte, für klare Mehrheiten reicht es aber nicht. Das liegt vor allem daran, dass die Grünen überraschend Verluste hinnehmen mussten und die Feministische Initiative von Gudrun Schyman linke Wählerstimmen sammelte, letztlich aber beim Einzug ins Parlament an der Vier-Prozent-Hürde scheiterte.

Diffizile Regierungsbildung

Jetzt hat der 57-jährige Löfven die undankbare Aufgabe, unter höchst komplizierten Verhältnissen eine stabile Regierung zu bilden. Gespräche mit den Grünen sind eingeleitet, doch Rot-Grün allein genügt nicht für eine tragfähige Koalition. Den Linken gehören Löfvens Sympathien nicht. Der Sozialdemokrat hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass er am liebsten die alten Blöcke aufbrechen und mit den Liberalen oder der Zentrumspartei zusammenarbeiten möchte. Doch die gescheiterte Regierungskoalition zeigt auch im Verlust demonstrativ Geschlossenheit und lehnt jegliche Avancen Löfvens kategorisch ab.

Für Fredrik Reinfeldt selbst ist das Spiel vorbei. Nachdem bekannt wurde, dass seine konservative Partei einen Verlust von fast sieben Prozentpunkten eingefahren hatte, verkündete er sichtlich mitgenommen noch am Wahlabend seinen Rücktritt als Regierungschef und - sehr zum Entsetzen der Parteikameraden - auch seinen Rücktritt als Vorsitzender der Konservativen ab Frühjahr.

Für Reinfeldt, der die Koalition zusammenschweißte und seine Partei zu sensationellen Wahlerfolgen führte, ist der Schritt konsequent - für die Konservativen jedoch ist es ein herber Verlust. Letztendlich, so glauben Beobachter, hat Reinfeldts Fokus auf geregelte Staatsfinanzen die Regierung zu Fall gebracht. Dabei sei zu wenig Raum für neue Visionen und Ideen geblieben.

Auf der Suche nach Partnern

"Die schwedischen Wähler", so Löfven in seiner Dankesrede, "haben eine Politik abgelehnt, die in Steuersenkungen und Privatisierung die Lösung aller Probleme sieht." Jetzt liegt es an ihm, seine Vision von einem "Schweden, das zusammenhält" zu verwirklichen. Dazu muss er aber erst einmal Weggefährten finden. Die Regierungsbildung, darin sind sich alle Experten einig, werde "die dramatischste seit vielen Jahren".

Laut Andreas Heinö, Politikwissenschafter in Göteborg, ist der unaufhörliche Aufstieg der Schwedendemokraten "die größte Veränderung auf der politischen Landkarte Schwedens im 21. Jahrhundert". Das Land gleiche sich Europa an, wo das Wiederaufleben des Nationalismus schon früher zum Erstarken rechter Parteien geführt habe. Bisher hätten die starke öffentliche Zustimmung zur großzügigen Einwanderungspolitik und ein klares Bekenntnis zum Multikulturalismus diese Entwicklung jedoch verzögert.

Vertrauen verloren

Immer öfter aber, so Heinö, scheitere die Integration von Flüchtlingen und führe zu zunehmender Segregation. Für die etablierten Parteien gehe es jetzt darum, sich den Wählern der Schwedendemokraten zu nähern, nicht aber den Positionen der Partei. "Sie müssen endlich aufhören, die Integrationspolitik ausgerechnet jener Partei zu überlassen, die das geringste Interesse daran hat."

Nach wie vor, so betonten viele, gebe es in Schweden eine breite Unterstützung für "Europas liberalste Einwanderungspolitik". Bei vielen Wählern der Schwedendemokraten, so die Auffassung, handle es sich um Menschen, die das Vertrauen in die etablierten Parteien verloren hätten. Erste Untersuchungen des schwedischen Fernsehens bestätigen, dass die Nationalisten tatsächlich allen Parteien Wähler abspenstig machen konnten. Besonders erfolgreich waren sie damit allerdings bei den Konservativen und den Sozialdemokraten.

Ein Lichtblick war die Wahlbeteiligung. Sie lag deutlich über 80 Prozent. Zum Vergleich: Bei den Nationalratswahlen im September vergangenen Jahres gingen nur knapp 75 Prozent der Österreicher zu den Urnen. (Karin Häggmark aus Stockholm, DER STANDARD, 16.9.2014)