Wien - Michael Douglas streift durch die Straßen von San Francisco. Die zwölfjährige Sabine Oberhauser liegt im Klappbett in ihrem ersten eigenen Zimmer - ein verglaster Balkon in einer 60m²-Gemeindebauwohnung in Ottakring - und schaut durch den Türspalt die gleichnamige TV-Serie. Fernsehen ist verboten, die Mutter ist streng: die 70er-Jahre in der Wiener Vorstadt.

Die neue Gesundheitsministerin ist ein Kind der Kreisky-Ära. Vater Installateur, später bei der Post; die Mutter klebt in Heimarbeit Ledergeldbörsen zusammen. Ein Geruch, der prägt. Sabine ist die erste Akademikerin der Familie.

Goscherte "Schuchi"

"Schuchi", wie sie wegen des Geburtsnamens "Schuh" gerufen wird, ist ehrgeizig, die Eltern versuchen, ihr alles zu ermöglichen: Sie geht ins Gymnasium, lernt leicht, ist immer "goschert". Als die "Neue Rechte" vor der Schule Zettel mit Nazijargon verteilt, will sie mit ihnen diskutieren. Heute führt sie die Begegnung als erstes politisches Erlebnis an. Auch wenn sie bald darauf der SPÖ beitritt, dauert es noch, bis sie politisch aktiv wird. Dazwischen liegen Medizinstudium in Mindestzeit, Hochzeit mit einem Radiologen, zwei Töchter, um die sich meist die Mutter kümmert, und die Ausbildung zur Kinderärztin - "dann war die Luft raus".

Oberhauser, heute 51, redet gern, gestikuliert viel und erzählt doch nicht alles. Wer mehr wissen will, dem wird via Facebook offenherzig Auskunft gegeben. Da dreht sich fast alles um Felix. Felix beim Stretching, Felix beim Sonnenbad, Felix, wie er sich auf der Wiese wälzt. "Felix du bist so liab!", schreiben ihre Freunde unter die Bilder des schwarzen Labradors. Dem Standard erzählt Oberhauser, dass sie für den Vierbeiner gar ihren Urlaub umgestellt hat. Neuer Zielort ist Österreich, damit der "Fitnesspartner" mitkommen kann. Auch wenn er "nicht immer macht, was ich sage".

Fitnesspartner und Facebookstar: Hund Felix.
Foto: Oberhauser/Facebook


Sie selbst versucht, sich strikt an die selbstauferlegten Regeln zu halten. Auch wenn das nicht leicht fällt: "Ich bin seit zwei Jahren und neun Tagen Nichtraucherin." Ein entspanntes Verhältnis zur Rauchentwöhnung klingt anders. Es ist die "Stresszigarette", die abgeht, nicht die des Genusses, sagt Oberhauser. Wie sie überhaupt bemüht ist, nicht das Bild des hemmungslosen Genussmenschen von sich zu zeichnen. Zu präsent sind die Schweinsbratenverstrickungen von Vorvorgängerin Andrea Kdolsky.

Oberhauser hingegen versucht, ihr mediales Bild bewusster zu steuern. Die Einladungen zur Ice-Bucket-Challenge hat sie elegant umgangen. Wäre sicher nicht gut gekommen, beim "ZiB 2"-Debüt mit einem Eimer Wasser über dem Kopf präsentiert zu werden. Zurückhaltung auch andernorts: Zu Hause kocht "wenn überhaupt" der Mann, die Abende mit Homer Simpson sind häufiger als jene im Theater.

"Der Rudi", ein Freund und Wegbegleiter

Auf dem Heute-Fest war sie trotzdem. Das ist die andere Seite der Sabine Oberhauser. Die geschickte Netzwerkerin, deren Geburtstagspartys gerne mal bis zu 300 Leute umfassen. Norbert Schnedl, Chef der Christlichen Gewerkschafter und Weggefährte, erinnert sich: "Da hat sie dann einige Liedchen zum Besten gegeben."

Es ist dann ihr Ministerkollege Rudolf Hundstorfer, der sie in die Gewerkschaft holt. Bis heute ist "der Rudi" ein Freund und Wegbegleiter. Weil sie sich für den Verbleib der Neonatologie in der Rudolfsstiftung einsetzt, wird er auf sie aufmerksam und überredet sie, sich zu engagieren. Auch Alfred Gusenbauer fällt sie auf. Auf sein Betreiben kandidiert sie für den Nationalrat. Doch es klappt erst beim zweiten Anlauf, auf Wunsch von Doris Bures. "Doris und ich mögen einander, ich weiß, dass ich mich auf sie verlassen kann." Wohl auch umgekehrt: Es wird kein Zufall sein, dass Oberhauser ausgerechnet jetzt Gesundheitsministerin wird.

Sabine Oberhauser war immer schon "goschert". Aus dem Mund der Gesundheitsministerin klingt aber manches anders. Stichwort Vermögenssteuern.

Große Würfe sind von ihr vermutlich nicht zu erwarten. Der Zusammenlegung der Sozialversicherungen hat sie gleich zu Beginn eine Absage erteilt. Den Kurs von Vorgänger Alois Stöger will sie fortsetzen, hat sie doch auch das Regierungsprogramm mitverhandelt. Aber es gibt auch erste Adaptierungen: Bei Elga, dem Online-Gesundheitsprojekt Stögers, steigt sie bereits auf die Bremse. Da bekommt die Datensicherheit plötzlich wieder überhand, man müsse "noch einmal schauen, wie es aufgesetzt wird". Die Ärzte sind erfreut. Der Baustellen im System ist sich Oberhauser jedenfalls bewusst. Die Arbeit des Vorgängers bezeichnete sie einst als "undankbarste Hack'n". Auch heute bleibt sie dabei: "Wenig Kompetenzen, ein zersplittertes System, und trotzdem hat man am Ende immer die Verantwortung". Nachsatz: Aber es lohne sich. Von ihrem eigenen Vorschlag "alles sprengen und neu bauen" hält sie heute nichts mehr: "Illusorisch."

"Eine andere Rolle"

Der Sprung von der Gewerkschafterin und zur Ministerin wird zum Spagat zwischen Bundesinteressen und früheren Positionen: Plötzlich ist sie weniger "goschert". Sie sei zwar nach wie vor für eine Vermögenssteuer, doch: "Die Frage ist, ob man sie jetzt zur Lohnsteuersenkung braucht. Wenn nicht, ist das auch okay." Sie kann eben beides, beschreibt sie Kollege Wolfgang Katzian: "quirlig" und "pragmatisch" sein. Den Richtungswechsel in Sachen Vermögenssteuer nimmt er ihr nicht übel: "Es ist eine andere Rolle." Ideologie und Herkunft habe sie trotzdem nicht verloren.

Dass sie einst gegen das vorzeitige Abdrehen des Korruptions-U-Ausschusses stimmte, will Oberhauser heute aber beim besten Willen nicht mehr einfallen. Zu viel anderes stehe auf der Agenda.

Schönes Wochenende

Wochenenden, wie jenes einst auf Facebook geteilte, gehören jetzt wohl der Vergangenheit an: "zeitung lesen - familienessen - gasseln und wieder gasseln - dazwischen (ich gestehe) shopping queen schauen - das samstag kurier rätsel lösen - wieder einmal das bad ausmisten - gasseln - und wenn das bad dann wieder aufgeräumt ist - wieder shopping queen schaun - füße hoch und stricken ... Schönes Wochenende euch allen." Schönes Wochenende, Frau Ministerin. (Marie-Theres Egyed, Karin Riss, DER STANDARD, 13.9.2014)