Foto: Privat Hönisch

Wien - Renata Hönisch hatte große Pläne. In Salt Lake City wollte die sehbehinderte Oberösterreicherin 2002 ihre zehnten Paralympics bestreiten, dreimal war sie zuvor im Sommer dabei und sechsmal im Winter. Aber die Vorbereitung verlief nicht nach Wunsch, trotz intensiven Trainings blieb eine Leistungssteigerung aus, Hönisch fühlte sich matt, die Beine waren schwer. Noch sorglos, suchte die damals 42-jährige Sportlerin einen Arzt auf, sie vermutete einen Eisenmangel, die Diagnose hieß aber akute Leukämie. "Das war wie ein Hammer auf den Kopf, ich hielt die Erkrankung zunächst für ein Todesurteil", sagt Hönisch 13 Jahre später.

Die fast blinde Renata Hönisch und ihr Bruder Thomas, der sie zu Wettkämpfen begleitet.
Foto: Privat Hönisch

Die sofort eingeleitete Chemotherapie schlug nicht an, dafür waren die Nebenwirkungen umso deutlicher spürbar: "Ich bin nur noch gelegen." Die unvermeidlich gewordene Suche nach einem geeigneten Knochenmarkspender führte direkt zu Bruder Thomas, es folgten Transplantation und Genesung: "Er hört das nicht gerne, aber er hat mir das Leben gerettet. Und er hat dabei keine Sekunde gezögert."

Ihr Bruder war es auch, der Hönisch im August zu den achten Europameisterschaften der Transplantierten und Dialysepatienten nach Krakau begleitete. Für die Laufbewerbe benötigt die Traunerin einen Partner, seit einer im Kleinkindalter fehlgeschlagenen Operation ist sie auf dem rechten Auge blind, auf dem linken ist ihr ein Sehrest von zwei Prozent geblieben: "Ich erfasse Farben und Schemen, kann aber zum Beispiel keine Menschen erkennen." Der Konkurrenz war Hönisch trotzdem gewachsen, fünf Medaillen aus Silber und Bronze sind es letztendlich über 1500 und 800 Meter, mit dem Speer, dem Diskus und im Gehen geworden. Die unter dem Motto "Don't take your organs to heaven" laufende Veranstaltung sei zwar gut organisiert gewesen, in puncto Professionalität könne man mit den Paralympics aber noch nicht Schritt halten: "Man ist jetzt dort, wo die paralympische Bewegung in den Achtzigerjahren stand." Der Zeitplan für die 354 Teilnehmer war straff organisiert, "drei Entscheidungen in zwei Stunden muss man erst einmal wegstecken. Aber im Wegstecken habe ich ohnehin Übung."

Im Alter von sechs Jahren zog Hönisch nach Wien, um dort die Sehbehindertenschule zu besuchen. Die Eltern sah sie nur noch alle zwei Wochen, ihr neues Zuhause wurde das Josefinum. Die Erinnerungen an das katholische Internat in Breitensee sind nicht die besten: "Wir wurden erzogen, den Mund zu halten. Persönliche Entwicklung wurde überhaupt nicht gefördert. Mädchen durften nicht mit Burschen reden." Mit 14 Jahren wechselte Hönisch ins Blindeninstitut, sie empfand es als Paradies. Der Sport wurde dem Teenager zum ständigen Begleiter, im norwegischen Geilo nahm Hönisch 1980 erstmals an den Paralympics teil, vier Jahre später wurden die Anstrengungen als Langläuferin bei den Spielen von Innsbruck mit Gold belohnt. Noch heute trainiert die 55-Jährige fünfmal pro Woche. Wenn kein Begleiter verfügbar ist, muss das Fitnessstudio herhalten, die Geräte seien trotz Sehbehinderung einfach zu bedienen. Und ohne geht es eben nicht: "Der Sport hat mir geholfen, die Krankheit zu erkennen. Und er hat mir geholfen, wieder auf die Füße zu kommen. Das prägt."

Der Traum vom Sponsor

Das nächste große Ziel sind die 2015 in Argentinien stattfindenden Weltspiele für Transplantierte. Die Reise droht allerdings am Geld zu scheitern: "Der Flug ist teuer. Und da ich auch einen Begleiter brauche, hätte ich sogar doppelte Kosten." Die ehemalige Telefonistin muss mit ihrer Pension auskommen. Förderungen gibt es für den TransplantiertenSport in Österreich keine, "ein "Sponsor wäre ein Traum" . Viel Hoffnung auf eine Reise nach Buenos Aires hat Hönisch nicht, sie nimmt es gelassen: "Man muss die Zeit genießen. Und Sport machen kann ich in Österreich auch." (Philip Bauer, DER STANDARD, 13.9.2014)