Wien - Seit Jahren untersucht der österreichische Verhaltensbiologe Ludwig Huber vom Messerli Forschungsinstitut der Veterinärmedizinischen Universität Wien die kognitiven Fähigkeiten von Köhlerschildkröten (Geochelone carbonaria). Unter anderem hat ihm dies vor drei Jahren den Ig-Nobelpreis eingebracht: Sein damaliges Forschungsergebnis, dass bei den Schildkröten Gähnen nicht ansteckend wirkt, mag zwar skurril klingen - deshalb der Spottpreis, über den sich Huber aber gefreut hat. Es fällt wegen der gewonnenen Erkenntnisse über die Empathiefähigkeit der Tiere jedoch ins Spektrum der zu erforschenden Themen.

Für eine neue Studie, die in der Fachzeitschrift "Behavioural Processes" veröffentlicht wurde, setzte das Team um Huber Köhlerschildkröten vor einen Touchscreen. Es ist eine Fortsetzung früherer Untersuchungen, wie gut die Tiere räumliche Aufgaben bewältigen können - diesmal bereichert um eine virtuelle Ebene.

Der Ablauf

Bei dem Experiment wird die Schildkröte vor einem Touchscreen platziert, auf dem eine Erdbeere erscheint. Sie berührt diese, als Belohnung taucht vor ihr in einer Mulde ein reales Obststück auf - das Einstiegslevel ist gemeistert.

Für zwei der vier getesteten Schildkröten, Esme und Quinn, wurde es nun schwieriger. Auf dem Bildschirm tauchten jetzt blaue Kreise auf. Esme bekam nur mehr eine Futterbelohnung, wenn sie den linken berührte, und Quinn beim rechten. Die beiden Tiere meisterten auch diese Aufgabe, sie entschieden sich öfters für den jeweils "korrekten" Kreis.

Nun wurden sie in eine Box gesetzt, in der sich auf der gleichen Seite wie zuvor die blauen Kreise blaue Futternäpfe befanden. Die Versuchstiere zeigten jeweils eine Präferenz zu der Seite, die ihnen zuvor am Bildschirm eine Belohnung eingebracht hatte. "Es ging hier nicht um ein Wiedererkennen von Objekten, sondern darum, ob sie eine Navigationstendenz vom Bildschirm in ein ganz neues Setting mitnehmen; und zwar in eine 'Arena' mit realen Objekten", erklärt Huber die Versuchsanlage. "Dies war eindeutig der Fall", sagte er.

Umgekehrt funktioniert es nicht

Die Schildkröten hatten zwar ihr Verhalten vom Bildschirm in die natürliche Welt mitgenommen, konnten aber offensichtlich zwischen der zweidimensionalen Welt und der Realität unterscheiden. Denn als die Forscher sie in der "Arena" auf die jeweils andere Seite umtrainierten, übertrugen sie diese neue Präferenz nicht auf ihr Verhalten am Bildschirm. "Dort haben sie wieder so reagiert, wie sie ursprünglich am Touchscreen gelernt hatten", so Huber.

Eine übliche Erklärung für diese Asymmetrie sei, dass die reale Umgebung viel mehr Informationen liefert, die den Tieren später am Bildschirm fehlt, erklärte er. (red/APA, derStandard.at, 12. 9. 2014)