Von Sinnsuche bis Freizeitaktivitäten: Was burnoutgefährdete Manager entlastet.

Dauerstress und die daraus resultierenden gesundheitlichen Beschwerden, die auf der psychischen Seite unter Burnout zusammengefasst werden, sind zu einem riesigen Problem geworden. Volkswirtschaftlich betrachtet, kosten psychische Erkrankungen in Europa jährlich 240 Milliarden Euro, 136 Milliarden davon werden Produktivitätseinbußen und Fehltagen zugerechnet. Dabei geht schon mehr als die Hälfte aller Fehltage im Job in Europa auf ein psychisches Problem, auf Erschöpfung, auf Nichtmehrkönnen zurück, wie die Europäische Gesundheitsagentur Osha berichtet.

Mit der zweijährigen Kampagne "Stress managen" ist die Osha derzeit in den Ländern und will Betriebe und Individuen sensibilisieren sowie Werkzeuge und Mittel an die Hand geben, mit Stress gesundheitsschonender umgehen zu können.

Zeitdruck steigt, Belastung auch

Das Hernstein-Institut für Management und Leadership hat nun fast 500 Manager in Österreich und fast 600 in Deutschland befragt: Wie gesund und körperlich leistungsfähig fühlen Sie sich?

Zunächst zu den Belastungsfaktoren: Wenig überraschend sieht sich ein Viertel der Befragten häufig Zeitdruck ausgesetzt, ein weiteres Drittel zumindest teilweise. Für mehr als die Hälfte sind Job und Druck auch in der sogenannten Freizeit nicht vorbei - 40 Prozent geben in diesem Zusammenhang an, sich nicht oder nur teilweise erholen zu können. Vier von zehn Führungskräften fühlen sich von ihren Vorgesetzten nicht anerkannt und wertgeschätzt - ein wesentlicher Quell empfundener Belastung.

Burnout besonders bei Jungen

Und konkret zum Stichwort Burnout? Acht von zehn Führungskräften haben in ihren Unternehmen bereits Burnout-Fälle erlebt. Sechs von zehn geben an, dies bei Führungskollegen beobachtet zu haben, vier von zehn kennen Burnout bei den eigenen, direkt geführten Mitarbeitern. Jede zehnte Führungskraft berichtet davon, wiederholt Burnout-Fälle in der eigenen Karriere erlebt zu haben.

Nun weg vom noch relativ einfachen Blick auf die anderen und hin zum Selbst: Wie burnoutgefährdet fühlen Sie sich? Fünf Prozent kreuzen "stark" an, ein Drittel stuft sich "teilweise" gefährdet ein. Geschlecht und Führungsposition machen bei dieser Einschätzung keinen signifikanten Unterschied aus, wohl aber Lebensalter und Berufserfahrung: Je jünger die Führungskräfte, desto gefährdeter schätzen sie sich ein - wer erst drei Jahre im Amt ist, hat hier höchste Werte.

Und wie steht's mit dem Umfeld? Teilt das die Selbsteinschätzung? Da geben 40 Prozent an, dass sie vonseiten ihres persönlichen Umfelds schon einmal auf eine Burnout-Gefahr hingewiesen wurden. 14 Prozent wurden diesbezüglich mehrmals gewarnt. Das obere Management und Eigentümer erhalten besonders oft Warnungen aus dem persönlichen Umfeld.

Selbstmanagement in Theorie und Praxis

Ob solche Warnungen Wirkung zeigen, welche Dynamik sich beruflich und privat daraus ergibt - das wurde in der Studie nicht weiter abgefragt. Dass die Einschätzung des Umfeldes sich mit der Selbstwahrnehmung deckt, erscheint in der Befragung aber als evident.

Und wie steht es um das Selbstmanagement, die Selbstführung im Zusammenhang mit Burnout-Gefahr? Da kommt die Befragung zu tatsächlich unerfreulichen Ergebnissen. Motto: kognitive Dissonanz: Wissen, Wünschen und Handeln stehen weit voneinander entfernt.

Einerseits: Je eher sich eine der befragten Führungskräfte selbst als potenziell burnoutgefährdet einschätzt, umso eher bewertet sie auch allgemein den Einfluss von Führung auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter als "hoch". Die eigene Betroffenheit sensibilisiert offenbar die Wahrnehmung. Aber: Mit der immer geforderten Vorbildwirkung ist es da nicht weit her.

Andererseits: Die persönliche Risikoeinschätzung der befragten Führungskraft korreliert nicht oder sogar negativ mit dem eigenen Gesundheitsverhalten - Personen, die sich selbst als gefährdet ansehen, machen tendenziell weniger oft Pausen, weniger Sport und weniger Ausgleich als Manager, die sich als nicht gefährdet empfinden. Diese Manager sammeln also weiter Belastungsfaktoren an.

Direkt beansprucht die Studie selbst nicht, einen unmittelbaren Kausalzusammenhang zwischen schlechtem Selbstmanagement und Burnoutgefahr herzustellen - von der Hand zu weisen ist dieser aber nicht.

Gesund führen?

Das Gesundheitsverhalten im Job allgemein sieht so aus: Drei Viertel der Führungskräfte geben an, regelmäßig entsprechende regenerationsförderliche Pausen einzulegen. 30 Prozent erklären aber, dass sie das nur selten oder fast nie tun. Männer und Frauen zeigen da keine Unterschiedlichkeiten, auch die Hierarchieebene ist nicht ausschlaggebend.

Immerhin behaupten zwei Drittel, dass sie mehrmals oder zumindest einmal pro Woche Ausdauersport betreiben. 17 Prozent outen sich als totale Sportmuffel. Nach Ausdauersport werden (vor allem von Frauen) Gymnastik und Beweglichkeitsübungen als körperlicher Ausgleich angegeben. Je höher die Position, desto eher wird Meditation oder eine andere Mentaltechnik zwecks Entspannung genannt.

Es kristallisiert sich heraus: Wer selbst sportlich ist und bewusst am Ausgleich arbeitet, dem ist "gesunde Führung" auch wichtiger. Noch einmal zurück zu den Belastungsfaktoren und zum Bild, das diese Befragung von der Arbeitsplatzsituation zeichnet: Als Kriegsschauplatz erscheinen die Chefetagen da nicht.

Zur Stressbewältigung: Sinn und Wertschätzung

Die guten Nachrichten: Es treten viele förderliche Ressourcen zur Stressbewältigung zutage. So sprechen 75 Prozent der Befragten von einer freundlichen und kollegialen Arbeitsatmosphäre unter direkten Kollegen. Ebenfalls 75 Prozent erleben die eigene Arbeit als sinnvoll und als erfüllend. Immerhin 60 Prozent fühlen sich in ihrer Arbeit beachtet und anerkannt.

Sinn, Wertschätzung und Kollegialität scheinen also als guter Schutz gegen Burnout vorhanden. Tatsächliche Klagen über mangelnde Wertschätzung kommen von 15 Prozent der Manager in Österreich und Deutschland. Schließlich zur Vitalität: Auf einer Skala zwischen null und 100 positionieren sich die Befragten bei 75 Prozent.

Im Vergleich dazu wirken die Zahlen der EU-Gesundheitsagentur auf europäischer Ebene dramatischer. Demnach sind fast 80 Prozent der Führungskräfte besorgt über arbeitsbedingten Stress. Dass nur 30 Prozent davon das Problem in ihren Unternehmen auch anpacken, deckt sich wiederum mit dem auch von Hernstein gefundenen Gap zwischen Wissen und Tun.

Dass mindestens 70 Prozent der Führungskräfte hinsichtlich der "overwhelmed employees" besorgt sind, ergab zuletzt auch die globale Deloitte-Studie zu diesem Thema. Da kommt nun die EU-Kampagne, da kommen die Managementberater ins Spiel: Ihr Anliegen ist, mit unternehmerischer Herangehensweise, mit gesundem Führen gegenzusteuern. Die Novelle des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, das Evaluierung auch der psychischen Belastungsfaktoren vorschreibt, könnte dabei (wenngleich noch vielerorts ungeliebt) ein Schritt sein - hin zur Bewusstseinsbildung. (Karin Bauer, ManagementStandard, 13./14.9.2014)