Eine der aktuellsten Aufnahmen von "Tschury": Vier am 7. September mit "Rosettas" NavCam geschossene Fotos wurden zu einem Gesamtbild zusammengesetzt. Die zerklüftete Oberfläche des Kometen macht die Landung von "Philae" im November zu einer schwierigen Angelegenheit.

Foto: ESA/Rosetta/NAVCAM

Fünf Landeorte (A, B, C, I und J) wurden mittlerweile ins Auge gefasst. Am Wochenende soll die Liste auf zwei reduziert werden.

Fotos: ESA/Rosetta

Komplexe Manöver brachten "Rosetta" umd rund 20 Kilometer näher an "Tschurys" Oberfläche.

Grafik: ESA

Wien - Am 11. November schlägt für die "Rosetta"-Mission die Stunde der Wahrheit: An diesem Tag soll die Landeeinheit "Philae" auf der Oberfläche des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko aufzusetzen - eine absolute Premiere in der Raumfahrt. Fünf potenziell günstige Stellen wurden dafür ins Auge gefasst, am kommenden Wochenende soll diese Shortlist auf zwei Landeorte reduziert werden.

Dass die Landung auf dem Kometen schwierig wird, war von Anfang an klar. Tatsächlich aber dürfte das Manöver noch komplizierter werden als ursprünglich vermutet, sagte der Österreicher Stephan Ulamec, Leiter der Landungsmission, am Dienstagabend bei einem Vortrag in Wien. Schuld daran seien die eigenwillige "Badeenten-Form" von "Tschuri" und seine "Oberfläche voller Eiszapfenstrukturen und Krater".

Landeplatzwahl eine technische Frage

"Es ist schwierig, eine glatte Stelle auf dem Kometen zu finden, das Terrain ist nicht wirklich Lander-freundlich", so Ulamec. Der in Graz ausgebildete Geophysiker ist seit 1994 beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und hat den Lander von Anfang an mitkonzipiert. Habe man zunächst angenommen, den Landeplatz nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten wählen zu können, sei es nun eine fast ausschließlich technische Entscheidung.

Die wichtigsten Kriterien sind neben der Oberfläche die Bahndynamik des Kometen, die Sonneneinstrahlung im Bereich der Landefläche - "Philae" ist nach kurzer Batterieversorgung auf Solarenergie angewiesen - und direkter Sichtkontakt zwischen Landeplatz und "Rosetta" zwecks Funkverbindung, so Ulamec. Die Raumsonde wird den Kometen bei dem Manöver mit fünf Kilometern Abstand umkreisen.

Derzeit seien fünf mögliche Stellen in der Auswahl, am kommenden Wochenende werde man daraus zwei wählen, die im Detail untersucht werden, sagte er. Wo "Philae" aufsetzen wird, könne man nicht auf den Meter genau festlegen - der Treffbereich habe etwa einen Kilometer Durchmesser. "Dort gibt es bei den möglichen Landestellen jeweils raue und weniger raue Flächen", so Ulamec.

Komplexer Touchdown mir Düsen, Harpunen und Schrauben

Um ihn auf den Kometen zu bringen wird "Rosetta" den Lander "nach hinten schubsen", worauf er "nach unten fällt" und mit den Beinen voran am Kometen landet, erklärte der Missionsleiter . Weil der etwa Kühlschrank-große "Philae", der auf der Erde 100 Kilogramm wiegt, am Kometen durch dessen geringe Gravitation nur dem Gewicht von einem Gramm entspricht, haben sich die Entwickler einiges ausgedacht, damit er nicht wieder abprallt und im All verschwindet. Düsen werden ihn an die Oberfläche drücken, Harpunen festhalten und Schrauben an den Beinen schließlich fixieren. "Selbst wenn die Oberfläche voll Staub weicher als Neuschnee ist, hoffen wir, dass sich dieser durch den Aufdruck verfestigt und der Lander nicht versinkt", sagte Ulamec.

Erneute Annäherung

Auf den Weg dorthin wurde am Mittwoch ein entscheidendes Manöver durchgeführt: Im Rahmen der aktuellen sogenannten "Transition to Global Mapping"-Phase (TGM) konnte die Sonde in eine niedrigere Umlaufbahn abgesenkt werden. Während "Rosetta" zuvor in einer Distanz von rund 50 Kilometern um den Kometen kreiste, umrundet sie "Tschuri" nun in einem Abstand von 30 Kilometern. Die Annäherung soll vor allem auch dazu dienen, mit "Rosettas" hochauflösenden Kameras mehr über die potenziellen Landeplätze herauszufinden.

Nach erfolgreicher Landung sollen die zehn wissenschaftlichen Geräte von "Philae" aktiv werden, um den Himmelskörper zu erkunden - darunter Kameras, Instrumente, die den Kometen wie bei einer Tomographie scannen, und ein Atomrastermikroskop, das am Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Graz gebaut wurde. "Kometen sind mehr oder weniger unverfälschte Überbleibsel aus der Entstehung des Sonnensystems", sagte Ulamec, durch ihre Erforschung könne man über die Frühgeschichte des Sonnensystems lernen.

Historische Mission

"Rosetta" wurde im März 2004 gestartet, flog mehrmals um die Sonne und nahm bei drei Vorbeiflügen an der Erde Schwung, um schließlich ihr eigentliches Ziel, den Kometen "67P/Tschurjumow-Gerassimenko" anzusteuern. Nach einem "Winterschlaf" erwachte sie am 28. März dieses Jahres planmäßig. Anfang August ist "Rosetta" in eine unregelmäßige Umlaufbahn um den Kometen eingeschwenkt. Seither schickt die Sonde atemberaubende Aufnahmen von "Tschuris" zerklüfteter Oberfläche. Der "Philae"-Lander, den sie an Bord hat, soll am 11. November "zum Objekt der Begierde vorstoßen", so Ulamec, und die erste Landung auf einem Kometen in der Geschichte der Menschheit durchführen. (APA/red, derStandard.at, 10.09.2014)