Wenn es voll ist, sieht das neue "The Room" bei den Sofiensälen trotz schlauchiger Anmutung fast belebt aus.

Foto: Gerhard Wasserbauer
Foto: Gerhard Wasserbauer

Hier kann schon aus Platzgründen nicht geklärt werden, wie klug oder krank es war, die Brandreste der Sofiensäle unter Denkmalschutz zu stellen, um einen Wohn- und Hotelblock herzubetonieren, wo inmitten verzweifelter Flächenschinderei eine Nachbildung des einstigen Hauptsaals Platz finden musste. Noch dazu, wo das alles schon vor einem Jahr fertig geworden ist. Das blockeigene Restaurant "The Room" hingegen wurde erst vergangene Woche eröffnet.

In der Marxergasse wird jedenfalls augenfällig, wie sehr Wien auch in Zentrumsnähe nach Peripherie aussehen kann. Umso skurriler erscheint der flutlichtbestrahlte rote Teppich, mit dem der Eingang zum Lokal als Ereignis inszeniert wird. Rechts ist eine Bar mit großen Fenstern zur Gasse, links geht es an den Empfangsdamen vorbei in einen langen Schlauch von einem Raum, wo man in leicht aufgebockt wirkenden Kojen ("Loge" genannt) Platz findet.

Gefällig, dennoch nicht beliebig

Wenn der Ort sich einmal mit Partyvolk gefüllt hat und die Moderationsdurchsagen von Radio Superfly vom Stimmengewirr übertönt werden, dann funktioniert auch die Gestaltung, die früher am Abend noch gar steril und hotelmäßig gewirkt hat. Immerhin kommen die Betreiber aus dem "Passage"-Umfeld, entsprechende Professionalität in der Weckung von Begehrlichkeit bei der blingaffinen Jeunesse kann also vorausgesetzt werden.

Für die Küche wurde mit Norbert Bader ein Mann engagiert, der irgendwann durch die Korso-Schule von Reinhard Gerer gegangen ist. Zuletzt war er in der hyperbiederen Sachsengang-Taverne für zwei Hauben gut. Im Room legt er eine gefällige und dennoch nicht beliebige Speisekarte vor, die vom Frühstück weg (Gulasch, frische Waffeln ...) Umsicht bei der Zielgruppenversorgung beweist.

Die Küche macht's

Auch abends drängt sich das Essen nicht mit Kreativkapriolen vor, schmeckt aber konsistent gut – so gelingt das nur wenigen vom Start weg. Vitello tonnato etwa: rosa gebraten, mit klassischer Tunfischsauce, Kräutersalat und Bonitoflocken, deren dunkel fermentierte Umamikraft den Teller aus der Beliebigkeit heraushebt. Auch die "Yoga"-Vorspeise mit Rohkost und Yuzu gerät dank schwungvollen Dressings zu echtem Essen. Erdäpfelrisotto (fein gewürfelt, im Pilzsud gargezogen) mit Eierschwammerln ist überhaupt fantastisch, so sensibel, wie der Garpunkt da bei Erdäpfel wie Schwammerln getroffen wird – noch dazu im vollen Lokal, gleich nach Eröffnung. Respekt.

Manches, wie säuerlich pampige "gebratene Gurkenmaki" (?) zu gebeiztem Lachs mit Wasabi-Gurken, geht daneben, das Filetsteak erinnert in seiner weichfleischigen, kaum gebräunten Indifferenz daran, dass des Österreichers Lieblingsrind nach wie vor die geschmacksbefreite, weil viel zu jung geschlachtete Kalbin ist. Viel besser: Der Wiener Burger mit Blunze, Sauerkraut, geschmolzenem Bergkäse.

Kernkompetenzen

Die Weine sind nicht so gut kalkuliert wie die Speisen, überraschen aber mit interessanten Positionen. Wenn der – an sich bemühte – Service hochspeziellen Naturwein wie den Buteo von Gindl kommentarlos als Weinviertler Veltliner zu Tisch bringt, dann merkt man halt, dass die Kernkompetenz hier eher bei Mai Tai und Mojito zu suchen ist als bei einer dem Küchenkönnen angemessenen Weinbegleitung. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 12.9.2014)