Gemeinsam sind sie erfolgreicher: Leopard-Forellenbarsche (rechts) suchen sich ihre Jagdgenossen - in diesem Fall eine Muräne (links) - nach strategischen Gesichtspunkten aus.

Foto: Alexander Vail

Cambridge/Wien - Die meisten Menschen - zumal solche in Führungspositionen - sollten dazu in der Lage sein. Aber auch Schimpansen sind dazu fähig, sich für bestimmte Aufgaben die am besten geeigneten Partner auszuwählen: Wenn die Menschenaffen in freier Wildbahn jagen, dann wissen sie genau, welche Kollegen bestimmte Aufgaben beim gemeinsamen Jagen übernehmen sollten.

Biologen gingen bisher davon aus, dass eine solche komplexe Fähigkeit ein hohes Maß an Intelligenz voraussetzt und daher nur bei Menschen und Menschenaffen anzutreffen ist. Doch Beobachtungen und Experimente britischer Zoologen zeigen nun, dass auch eine bestimmte Barsch-Art dazu in der Lage ist - und zwar sogar über Artgrenzen hinweg.

Für ihre Untersuchung hatten Alexander Vail (Uni Cambridge) und Kollegen zunächst Unterwasserbeobachtungen im Great Barrier Reef vor der Nordostküste Australiens angestellt. Besonderes Augenmerk richteten sie dabei auf das raffinierte Jagdverhalten von Leopard-Forellenbarschen. Spüren die Fische mögliche Beutetiere in für sie unzugänglichen Spalten auf, dann signalisieren die Barsche mit Kopfbewegungen Muränen und anderen schlanker gebauten Riffbewohnern, die Beute aus ihrem Versteck zu vertreiben, zum Vorteil beider Jäger.

Barsche im Modellversuch

Vail und seine Kollegen wollten dieses Verhalten der Barsche genauer unter die Lupe nehmen und überstellten einige Fische in englische Aquarien. Dort simulierten sie die beschriebenen Jagdsituationen mit Beutefischen in engen Spalten und - ersatzhalber - Kunststoffmodellen von Muränen, die den Beutefisch aus der Spalte jagen konnten. Tatsächlich entschieden sich die Barsche nun auch im experimentellen Setting je nach Situation strategisch richtig, ob sie die Hilfe der Muräne anforderten oder nicht.

Doch damit nicht genug: In einer zweiten Versuchsreihe erwiesen sich - so wie in der freien Wildbahn - einige (Modell-)Muränen als gute Helfer, andere als schlechte Jagdpartner, die in die falsche Richtung davonschwammen. Wie die Forscher im Fachblatt "Current Biology" berichten, hatten die Barsche bereits nach einem Tag durchschaut, auf welche Muränen sie sich verlassen konnten, und gaben fortan nur mehr diesen das Jagdsignal.

Wie aber sind diese Ergebnisse zu interpretieren? Für Vail ist offensichtlich, dass die Barsche die Muränen instrumentalisieren, da ihnen Werkzeuge fehlen, die Beutetiere aus dem Versteck zu vertreiben. Zudem würde das Experiment zeigen, "dass Leopard-Forellenbarsche ähnlich wie Schimpansen entscheiden können, wann eine Situation einen Helfer erfordert, und schnell lernen, den besten auszuwählen", so Vail.

Schließlich gehen die Biologen davon aus, dass diese Form der strategischen Partnerwahl in der Evolution mehrfach entstanden ist - und dass komplexes Verhalten nicht immer einen komplexen Verstand benötigt. (Klaus Taschwer, DER STANDARD, 9.9.2014)